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Angespielt

Tagebuch: The Witness – 3. Eintrag

Ich bin schon einige Tage auf der verlassenen Insel unterwegs und entdecke immer mehr Gebiete voller Rätsel und Geschichte.

Unweit von einem in Gelb- und Orangetönen getauchten Laubwäldchens finde ich ein von außen etwas zerfallen anmutende Schloss. Der Zugang erfolgt durch einen kurzen Tunnel, in dem meine Schuhe über das harte Pflaster hallen. Ich werde begrüßt von einem riesigen Hof mit saftig-grünen Hecken, die – wenig überraschend – Labyrinthe bilden. Diese sind aber nicht das eigentliche Rätsel, wieder finde ich eine Menge an Eisentoren mit Rätsel-Displays. Diese sind ähnlich des Rosenblütenbaum-Waldes miteinander verbunden. Scheitere ich bei dem einen, so muss ich zum vorherigen Puzzle zurückkehren und das Lösungsmuster wiederholen. Das macht mich etwas mürbe, ist aber relativ schnell erledigt.

Im Hof sehe ich sie wieder, die Steinmenschen. Hier scheint der Adel gewohnt zu haben. Ich sehe, wie Menschen miteinander fechten, einen betuchten Mann mit Sonnenbrille und die Knechte, die schwere Säcke voll Getreide tragen. Die Wohlstandsgesellschaft hat hier wohl zu Ehren des Herrschers Spiele ausgetragen. Ähnlich eines lebensgroßen Schachbrettes sind die Labyrinth-Rätsel hier in Lebensgröße nachgebaut samt Druckplatten, die auf dem Display den Weg darstellen. Die ersten beiden löse ich ohne größere Probleme, hier wiederholen sich bekannte Schemata wie die schwarz-/weißen-Quadrate, die man trennen muss. Einzige Herausforderung sind hier, dass manche der verglasten Druckplatten zersprungen sind und so ein anderer Weg gefunden werden muss.

Das dritte Rätsel macht mir zu schaffen. Es ist ein vier mal vier großes Labyrinth mit gelben Symbolen, die ich zuvor niemals gesehen habe, die mich aber fortan begleiten sollten. Am zweiten Feld in der untersten Reihe befindet sich der Zugang zu der Rätselanlage, rechts daneben der eigentliche Beginn, wieder dargestellt durch einen großen Ring. Ich muss also die zweite Linie von rechts unten aktivieren. Darüber befindet sich wie erwähnt das neue Symbol, drei Blöcke in einer Reihe und ein Block auf der linken oberen Seite, allesamt in gelb, also ein Rechteck. Was bedeutet das? Soll ich ab dieser Stelle die Figur mit dem Wegesstrahl nachformen? Da zwischen Druckfeldern Holzplanken angebracht sind kann ich in den lebensgroßen Labyrinthen im Vergleich zu den Display-Rätseln der restlichen Spielwelt Dinge anstellen, die sonst nicht funktionieren, etwa einzelne Felder auslassen oder Verbindungen herstellen, die bei einem durchgehenden Strahl nicht möglich wären.

In der obersten Reihe findet sich ein ähnliches Symbol, hier allerdings vier gelbe Blöcke in einer direkten Reihe. Soll ich hier also diese Form darstellen? Ich mache diverse Versuche, mit und ohne Zwischenverbindungen. Es will mir nicht gelingen die nächste Tür zu öffnen. Also steige ich in den riesigen Steinturm um die Ecke. Hierüber gelangt man auf die relativ niedrige Burgmauer und hat einen schönen Überblick auf die einzelnen Rätsel. Da wir zuvor schon gespiegelte Rätsel hatten, versuche ich anschließend das Muster aus dem Rätsel zuvor zu kopieren oder zu spiegeln. Nichts fruchtet in Erfolg. Apropos Burgmauer: Am Zugang zur Burg war auch eine Mauer. Dort oben fand ich etwas komisches: Ein ausgeschütteter Krug mit einer Art Asche, die die Silhouette eines Menschen darstellt. Frappierend, wenn man an die versteinerten Menschen und den Berg aus meinem letzten Eintrag denkt.

Durch den Turm kommt man auch in’s freie. Ich laufe an der Küste entlang und entdecke ein riesiges halb versunkenes, vermodertes und komplett zerstöres Schiff. Als ich darüber schreite vernehme ich das Knarzen von den Planken, die über die Einzelteile des schier gigantischen Schiffes gelegt sind. Auf der Brücke des orangenen Schiffes finde ich erstmals einen Rekorder. Ich aktiviere ihn durch ein einfaches Wischen und vernehme zum ersten Mal eine menschliche Stimme. Sie klingt sanft und ruhig, wie eine Erzählerstimme in einem Hörbuch. Sie scheint über den Kapitän des Schiffes zu sprechen. Eine Menge Menschen waren wohl auf dem Schiff unterwegs, der Hafen der Insel einst eifrig frequentiert. Es wird über die Finanzierung des gigantischen Liners gesprochen und über die Gesellschaft zu der Zeit. Dann der Schock: Das Schiff ist wohl inmitten des 19. Jahrhunderts untergegangen. So lange liegt das Schiff hier schon brach.

Langsam verbinde ich die Einzelteile. Die altertümlich gekleideten Steinmenschen, das Experiment am Berg, das versunkene Schiff. Wo sind die Passagiere alle hin? Hat sie das heute friedliche Meer samt ihrer schicksalshaften Geschichten verschluckt? Was wurde in den Gewächshäusern gezüchtet? Es stellen sich mir noch so viele Fragen.

Da ich im Schloss und am Berg nicht weiterkomme, ziehe ich zurück in’s Inselinnere. Ich finde einen Damm, hier kann ich jedoch nicht weitervordringen. Mich zieht es wieder an die Küste, wo wir begannen. Die Wüste, die zwischen der Küstenlandschaft und dem rosa Wald liegt, hatte ich bislang unbeachtet gelassen. Hier finden sich verdorrte Baumwipfel und ein in den feinen Sand eingebettetes Haus, das halb zerfallen ist, wieder. Draußen befindet sich eine Treppe, die zu einem Sonnenbogenempor steigt. Ich finde diverse Symbole mit Kreisen, die ineindergreifen.

Innen befinden sich wieder Rätseldisplays, deutlich enger aneinander gebaut als in den weitläufigen Gegenden. Ich finde ein Polygon-Symbol wieder auf dem ersten Rätsel-Display. Das gleiche übrigens, das ich bereits zwei Mal als Belohnung für schwerere Rätsel auf einem Stück Papier bereits fand. Es gibt hier an allen sechs Enden mögliche Endpunkte, der Startpunkt befindet sich im Zentrum des Sechseckes. Es gibt also eine Menge Möglichkeiten und ich probiere sie Stück für Stück alle durch. Am Ende stoße ich auf eine Lösung, die aussieht wie ein Würfel in 3D, bei dem eine Linie jeder Seite einmal orange aufleuchtet. Die Vermutung liegt nahe, beim nächsten Display auch wieder einen Würfel zu zeichnen nur mit einer anderen Anordung. Es gibt vier Möglichkeiten, keine funktioniert. Jedes Mal darf ich die vorige Lösung am ersten Display nachzeichnen. Mir erschließt sich auch hier nicht die Logik des Rätsels.

Ich suche draußen nach Hinweisen, finde aber nur Sonnentafeln und viel Sand. Zunehmend frustriert ziehe ich von Dannen. Ich gehe zurück in’s Dorf, finde auch hier mehrere Rätsel-Displays in kleinen Häusern und an Türen versteckt. Hier kommen die gelben Blockformen, die Rechtecke oder Reihen bilden wieder zurück. Doch auch neue farbige kreisrunde Symbole mit Stacheln tauchen auf. Ich versuche sie zu trennen, ohne Erfolg. An der Tür des zum Bach hinunterkippenden Frachtcontainers findet sich auch wieder ein Tetris-Rätsel. So nenne ich diese gelben Figuren nun, schließlich ähneln sie Blöcken aus diesem Videospiel aus grauer Vorzeit. Es sind drei weiße Quadrate an allen Ecken und ein schwarzes in der linken unteren Ecke, an der ich starte. In der oberen und unteren Reihe sind zwischen den beiden weißen bzw. dem schwarzen und weißen Quadraten Tetrissymbole mit zwei Blöcken nebeneinander angegeben, in doppelter Ausführung. Soll ich also zwei Blöcke miteinander verbinden und dabei das schwarze von den weißen trennen? Auch hier vergehen unzählige Versuche bis ich frustriert aufgebe.

Die Rätsel erscheinen mir zunehmend unmöglich, ohne die Bedeutung einzelner Rätselelemente zu erfahren. Ich habe mir bereits eine Menge zusammengereimt, viel herumprobiert. Richtig viel stupides Durchprobieren überstanden und bin in annehmbarer Zeit auf Lösungen gestoßen. Doch jetzt habe ich mich festgefahren. Ich werde sicherlich noch an den zahlreichen Rätseln knobeln, bin mit meiner Weisheit aber langsam am Ende und glaube nicht, dass ich ohne den Verstand zu verlieren die Insel jemals verlassen zu können. Dies könnte gut der letzte Eintrag sein, den ich je verfasse.

Mein Aufenthalt war von Beginn an von Herausforderungen geprägt, aber auch von der Schönheit der Natur. Die tollen technischen Errungenschaften und die Mischung aus Altertum und Moderne kreieren einen einzigartigen Stil und die Wissbegierde den Geschehenissen auf die Spur zu kommen, die sich hier ereignet haben, trieben mich an, doch die Schnittmenge zwischen meiner Denkweise und die der Erschaffer scheint doch nicht so groß zu sein, wie ursprünglich angenommen. Erschöpfung macht sich breit und ich habe viel gesehen. Ist es die Sonne, die alle zu Stein erstarren hat lassen? Die Sonne brennt mir stets auf’s Antlitz und so werde diese Insel wohl ihr letztes Lebewesen verlieren, die reichhaltige Geschichte wird aber sicher an anderer Stelle übermittelt von einem passenderen, als mir. Adieu.

The Witness