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Im Test: Shadow of the Colossus

12 Jahre nach der Veröffentlichung von Shadow of the Colossus wird das Remake des Meilensteins der 6. Konsolengeneration für die aktuelle PlayStation veröffentlicht. Wir prüfen, ob das Spiel gleichermaßen einschlägt wie damals.

Shadow of the Colossus (SotC) erzählt die Geschichte von Wander, der sich das Verbotene Land wagt, um seine geliebte Mono wieder zum Leben zu erwecken. Dafür muss er allerdings einen Preis zahlen: Es gilt 16 Kolosse zu Fall zu bringen, die quer über das sonst von Lebewesen fast vollständig verlassene Land verteilt sind. Erst dann, so lautet die Wahrsagung, wird das Schwert Mono wiederbeleben.

Die Geschichte von SotC wird zum Großteil nicht etwa, wie wir es etwa aus Team Icos Folgetitel The Last Guardian (XTgamer-Test) kennen, in pompös inszenierten Zwischensequenzen erzählt, sondern vom Spieler durch das Erkunden des Verbotenen Landes entdeckt, ähnlich wie es vier Jahre später auch in Demon’s Souls gemacht wird. Filmsequenzen dürfen wir lediglich anfangs, etwas in der Mitte des Spiels und gegen Ende bestaunen und diese sind, wie man es aus der Team Ico-Historie kennt, fantastisch inszeniert.

Wanders tragisches Schicksal nimmt uns mit, denn der Schmerz, den er durch die zu Fall gebrachten Kolosse empfindet, überträgt sich direkt auf den Spieler. In kleinen besonderen Momenten erhält auch Mono, der eigentliche Grund für Wanders Reise, einen Platz im Spiel. Auch zu Wanders treuem Ross Agro bauen wir eine emotionale Verbindung auf. Hier sind es vor allem die Kleinigkeiten, die diese entstehen lassen. Als Wander etwa die riesige Schildkröte Basaran bekämpft, hat Agro mächtigen Geysiren auszuweichen. Lassen wir ihn zu lange allein, reagiert er auf unser penetrantes Pfeifen und Rufen und gerät in Panik, wie es ein realer Gaul eben auch machen würde. Das steht etwa Videospiel-Pferden wie in Red Dead Redemption oder GUN entgegen, die meist stur euren Gamepad-Befehlen gehorchen.

Die toll vermittelte Atmosphäre ist es, die SotC zu einem einzigartigen Erlebnis macht. Als Wander erkunden wir  vogelfrei die endlosen Weiten der imposanten Spielwelt, die sich von staubigen Wüsten, über dichte Dschungel, endlose Steppen bis hin zu mächtigen Gebirgen erstreckt. Insbesondere die Trostlosigkeit wird auf unserer Reise durch dieses vergessene Stück Land eindrucksvoll vermittelt. Dazu zählt auch der spärliche Einsatz von Musik, für deren Komposition Kow Otani zurückkehrte.

Durch die visuelle Opulenz des Remakes wird der Charakter der Spielwelt noch weiter geschärft. Vergleicht man das von Team Ico mit der limitierten Cell-Hardware der PlayStation 2 im Hinterkopf entwickelte Spiel mit der diesjährigen Neuprogrammierung wird vor allem die Größenordnung klarer. Bereits in der 2006er PS2-Version und im 2011er PS3-Remake stapften, schwammen und flogen Wander überwältigende Kolosse entgegen. Im von Grund auf neu erschaffenen PS4-Spiel, welches in der Zusammenarbeit von Bluepoint Games und Sony Japan Studio entstand, können wir förmlich die einzelnen Haare im Fell des ersten Bosses Valus zählen. Hinzu kommt, dass Umgebungen weitaus detaillierter dargestellt werden. Der Grasbewuchs wurde enorm erhöht, ebenso wie die Sichtweite, der Detailgrad der Licht- und Schatteneffekte, die wunderschönen azurblaue Wasserfälle im Hintergrund sorgen für Aha-Augenblicke und zusammengefallene Statuen und Felsmassive machen jetzt noch mehr als zuvor den Eindruck, dass hier einst eine reiche Zivilisation gelebt hatte, bevor das Land verflucht wurde. SotC ist so schön, dass sich Agro zum Unmut des voller Tatendrang befindlichen Wander dazu entscheidet, gewisse Oasen ausschließlich im Trab zu durchlaufen.

Besitzer einer PlayStation 4 Pro profitieren von zwei Grafikmodi. Einerseits wird das Spiel auf Wunsch nativ in der Ultra HD-Auflösung von 3.840 × 2.160 Pixeln bei 30 Bildern pro Sekunde dargestellt oder aber in Full HD (1.920×1.080) bei einer Bildwiederholungsrate von 60 Bildern pro Sekunde. Wir haben das Spiel im UHD-Modus durchgespielt und konnten lediglich in technisch besonders herausfordernden Augenblicken Einbrüche in der Framerate feststellen. Selbst im Finale bleibt das Spiel stets flüssig. Der in aktuellen First-Party-Spielen für die PlayStation 4 äußerst beliebte Foto-Modus ist auch in SotC vertreten. Bluepoint geht sogar einen Schritt weiter und lässt euch das gesamte Spiel in verschiedenen Filtern genießen.

Spielerisch mag das Spiel den Anschein erwecken, es ähnele The Legend of Zelda. Die Gemeinsamkeiten von Wander und Link beschränken sich am Ende darauf, dass beide zu Ross unterwegs sind, eine offene Welt bereisen und sich mit Schwert und Bogen erwehren. SotC ist ein sehr lineares Spiel, da wir Koloss nach Koloss abarbeiten. Es ist interessant, aufgrund der knappen in Fantasiesprache mit deutschen Untertiteln wiedergegebenen Beschreibung des nächsten Gegners ihn in der Spielwelt zu finden. Eine mit dem Touchpad anwählbare Karte und das Schwert mit seiner Kompassfunktion helfen bei der Suche ungemein. Abseits von den bewährten Pfaden finden wir wunderschöne Aussichten, Anspielungen auf andere Team Ico-Spiele und neben Schreinen für das Freischalten von Trophäen und für die Verbesserung von Gesundheit und Ausdauer relevante Sammelobjekte (Früchte, Salamander und Goldmünzen).

Die Kamera hinterlässt bei uns einen gemischten Eindruck. Sie ist zwar frei drehbar und richtet sich meist weiter hinter euch ein, damit vor allem beim Ritt quer durch die Prärie die tolle Landschaft zur Geltung kommt, in buchstäblich haarsträubenden Augenblicken, in denen ihr euch über die Gliedmaßen des sich sträubenden Kolosses bewegt, verschafft sie euch selten den in dieser Situation angemessenen und erforderlichen Überblick. Fällt ihr mal runter, verliert ihr – abhängig vom Kolossus – meist wenig Gesundheit, die ihr am nächsten Schrein wieder aufladen könnt. Auf dem von uns gespielten mittleren Schwierigkeitsgrad regeneriert sich Wanders Gesundheit zudem langsam automatisch.

Das Design der Kolosse offenbart das einzigartige Gameplay von SotC. Sobald sich das Ungetüm zu erkennen gibt gilt es zunächst seine durch blau leuchtende Male dargestellte Schwachpunkte zu finden. Danach gilt es den Weg auf den Körper des Goliath zu finden. Manchmal nutzt ihr dafür die Umgebung und lasst etwa den riesigen Gorilla Argus eine Bodenplatte empor stampfen, um eine zusammengefallene Tempelanlage zu nutzen, damit ihr auf den Kopf des Giganten kommt. An anderer Stelle schießt ihr so lange Pfeile auf die am Unterleib des geflügelten Dünenwurms Phalanx befindlichen Dottersäcke, bis dieser seine Glieder in den fein geraspelten Sand streckt und euch mit einem gut getimeten Hopser von Agros Rücken den größten Kolossus des Spiels besteigen lässt.

Die Schwachstellen der Kolosse beackert ihr, je nach Distanz, mit Schwer oder Pfeil und Bogen. Das Zielen klappt dabei mit dem DualShock 4 ausgesprochen gut. Weitaus weniger Spaß machen die Klettersequenzen, welche besonders zum Ende hin zunehmen. Nur um Wander von einem zum anderen Vorsprung zu bewegen, benötigt ihr mindestens die X- und R2-Tasten und manches Mal auch den Stick und müsst dabei wahlweise eine Taste loslassen. Schnelles Emporsteigen alá Assassin’s Creed ist da nicht drin, will man aus Sicht von Bluepoint Games unter Beachtung der ursprünglichen von Team Ico gesetzten Vision wohl auch nicht zulassen. SotC soll etwas sperrig sein und das ist dem Entwickler in der ein oder anderen Hinsicht gelungen.

Nach gewisser Zeit wiederholen sich allerdings die Grundmodelle der Kolosse, was bei ganzen 16 Stück kein all zu großes Wunder ist. Immerhin nimmt die Wichtigkeit der Nutzung der Umgebung im Verlauf des rund fünf- bis acht-stündigen Spiels stets zu. Nach dem ersten Durchlauf schalten sich die Modi Neues Spiel+ und der Zeiterobungsmodus frei. Ersteres erlaubt euch eure Upgrades für Ausdauer und Gesundheit zu übernehmen und im zuletzt genannten Spielmodus werden eure besten Kampfzeiten aufgezeichnet.

Fazit

Shadow of the Colossus ist in seinem 2018er Remake ein gelungener beeindruckender Titel. Aufgrund der tiefgreifenden visuellen Verbesserungen ist eines der schönsten Spiele der aktuellen Konsolengeneration. Gleichermaßen hätte man sich allerdings auch an die Steuerung setzen sollen. Die hakelige Kamera und das widerspenstige Sprungverhalten Wanders machen so manchen einst epischen Kampf zum stressigen Geduldsspiel. Wem es nach einem anspruchsvollen, umfangreichen, emotionalen, hoch qualitativen, wenn auch nicht perfekten Action-Adventure dürstet, dem können wir Shadow of the Colossus ans Herz legen.

Weitere 4K-Screenshots könnt ihr unserem aktuellen Screenshot Saturday entnehmen.

Patrick

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