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In LAN Party Adventures drehen wir die Uhr um 25 Jahre zurück, versuchen unseren Freund Pedro zu retten und stellen die LAN-Party unserer Träume auf die Beine.
Avalancha Entertainment feiert gerade mit den Echtzeit-Strategie-Spielen SpaceOrcs und TrollWarriors II sowie dem Sucht-erregenden Action-Rollenspiel Demone Erfolge (ob da nicht gerade eine populäre Franchise entsteht, die selbst durch einen halbgaren Mobilableger, Auktionshausdebatten und Sexismus-Skandalen kaum an Beliebtheit einbüßen wird), Cosmic Wars ist in aller Munde – trotz der bei den Fans der ersten Stunde umstrittenen Prequels -, Shooter-Fans warten sehnsüchtig auf Terror-Strike 1.6 und Catman-Comicbücher verkaufen sich wie geschnitten Brot – da können wir nur Anfang der 2000er sein. Der aufstrebende Netzwerktechniker Spike veranstaltet im peruanischen Lima mit seinen Freunden Paula, Johnny, Jake und Pedro regelmäßig LAN-Partys, doch letzterer verschwindet eines Tages und so ist es unsere Aufgabe, den miesen Kidnappern auf die Spur zu kommen und unseren Freund zu befreien.
LAN Party Adventures von Leap Game Studios ist ein Adventure aus der Ego-Perspektive, in dessen Story-Modus wir LAN-Parties verkabeln, Büros infiltrieren, Geschicklichkeits- und Kombinationsrätsel lösen um Viren auszuweichen und Zugangscodes zu ermitteln. In unserer Schnellauswahl befinden sich VGA-Kabel für Monitore, PS/2-Kabel für Mäuse und Tastaturen, LAN- und Telefon-Kabel zur Anbindung von Modems und Switches und Stromkabel, um die Geräte mit Saft zu versorgen. Das Aufsetzen und Verkabeln der Geräte klappt intuitiv gut, ganz so wie wir es uns nach der ersten Präsentation von den Entwickelnden vorgestellt haben. Im Story-Modus müssen wir teils die PCs selbst platzieren und mit den nötigen Kabeln versorgen, teils sind sie auch schon teilweise für uns aufgebaut und wir müssen Anpassungen vornehmen, etwa mit den erforderlichen Disketten eine Netzwerkverbindung herstellen – und das alles samt funktionstüchtiger Konsole und mit Websites für den fiktiven StarCraft-Klon im Spiel, um das Game zu updaten oder um dem Verschwinden unseres Freundes auf den Grund zu gehen. Die Geschichte wird mit E-Mails und in Telefongesprächen sowie in Zwischenbildschirmen erzählt und ist nicht vertont – synchronisierte Dialoge wären der dichten Atmosphäre noch zuträglicher, doch das stellt ein so kleines Entwicklerteam wohl auch vor Herausforderungen. Während wir der entspannten Synthie-Musik lauschen, drehen wir originalgetreu mit dem Mausrad die VGA-Kabel in die Rechner, verlegen Mehrfachsteckerleisten und machen uns auf die Suche nach den rar gesäten Netzwerkanschlüssen auf dem Boden zweier Klassenzimmer, auf deren Rechner wir nur durch Lösen eines knackigen Mathe- oder Physikrätsels zugreifen können. Per Schnurtelefon holen wir uns Tipps von unserer Clique ab, doch das Telefon-Kabel könnte noch wichtig sein, schließlich sind unsere Kabelvorräte begrenzt.
Komfortfunktionen sollen dabei unser Leben etwas einfacher gestalten. So können wir auf Knopfdruck auf die Rückseite des Rechners oder Monitors wechseln, um dort das Kabel zu verbinden – in der Theorie jedenfalls. Da wir in unseren Platzverhältnissen häufig begrenzt sind, ist diese Ansicht häufig versperrt – hier wäre etwas Optimierung noch erforderlich. Gehen wir nämlich einmal um den Tisch, wird auch das Kabel den langen Weg quer über andere Monitore und Tastaturen gelegt. Das fühlt sich manchmal etwas hakelig an, man findet allerdings meist einen Weg die Wege kurz zu halten. Auch die erforderlichen Konsolen-Kommandos kann man schnell abrufen, um damit eine Netzwerkverbindung einzurichten, wahlweise in den IP-Config-Menüs für Windows 98 und ME – ein interessanter Kontrast zu dem aktuell aufgrund des Support-Endes notwendigen und komfortabel zu bewerkstelligen Wechsels von Windows 10 auf 11. Während wir gerade zu Beginn wenig gefordert werden, nimmt der Anspruch gegen Ende spürbar zu. So müssen wir in einem Geschicklichkeitsspiel unter Zeitdruck einen Virus ausschalten, wir haben dafür aber unendlich viele Versuche. An anderer Stelle müssen wir mit einer Schablone im Pen & Paper-Stil zwei Passwörter knacken. Beim Verbinden des LAN-Kabels müssen wir die Kontakte sortieren. Gerne hätten wir mehr von solchen Minispielen gespielt, wobei letzteres trotz mehrerer Kombinationen auf Dauer etwas dröge wirkt. Teils ist es undeutlich, was das Spiel von uns erwartet. So sollen wir eine riesige Datenbank durchkämmen, um den oder die Übeltäter/-in zu finden und bestimmte PCs in der richtigen Reihenfolge in Betrieb nehmen und die erforderlichen Infos auslesen oder im Cybercafé den Rechner am Eingang mit den übrigen PCs verbinden. Hierfür stehen uns zig Kombinationen zur Verfügung, doch um auf die exakt vorgesehene Lösung zu kommen, kann man ein Weilchen brauchen. Manche Abschnitte sind auch sehr dunkel und es fällt schwer, alle Sammelobjekte aufzustöbern. Die zahlreichen Referenzen an populäre Spiele der frühen 2000er wie Counter-Strike, Diablo, StarCraft, WarCraft, Tomb Raider und Pokémon mit kreativen fiktiven Eigennamen sind hingegen relativ leicht zu finden.
Die Dialoge im Story-Modus sind humorvoll und wir wollen im Laufe der vier- bis fünfstündiger Kampagne dann auch wirklich wissen, welches Komplott hinter der Entführung von Pedro steckt, auch wenn so manche Charakterentscheidung etwas wenig nachvollziehbar ist. Sammeln wir alle Mystery-Dokumente ein, schalten wir gar ein ALTernatives Ende frei. Im Sandboxmodus hingegen erstellen wir unsere ganz eigenen LAN-Partys mit über 100 anpassbaren Gegenständen, darunter Vintage-Möbel, klassische Computer, Poster, Spielekonsolen und vieles mehr, darunter noch mehr Referenzen an Franchises wie Das A-Team, Teenage Mutant Ninja Turtles, SimCity 2000, System Shock und Deus Ex. Dabei können wir die Schauplätze des Story-Modus besuchen. Auch ein Teilen der Kreationen ist mit dem Fotomodus möglich. Es wäre eine tolle Ergänzung, wenn wir die Blaupause unserer LAN-Party auch online mit anderen teilen könnten oder gar eigene Gegenstände, Logos und Poster ins Spiel importieren und mit anderen Spielenden teilen könnten – oder auch die LAN-Parties anderer besuchen. Zwar bietet der Sandbox-Modus bereits viele Möglichkeiten, eine solche Erweiterung könnte die Spielzeit allerdings noch einmal deutlich erhöhen.
Fazit
LAN Party Adventures ist eine Reise in die Vergangenheit, als Monitore noch klobig und schwer, Rechner noch ohne Fenster und nahezu ausschließlich in Beige erhältlich waren und diese sperrigen Geräte noch zum Kumpel getragen werden mussten, um die neuesten Games zusammen spielen zu können. Das Spiel von Leap Game Studios lässt diese Ära mit viel Charm und verpackt in ein spannendes Coming of Age-Drama mit vielen Wendungen im Stil von Stranger Things aufleben. Im Nullkommanix verkabeln wir ganze Klassenzimmer, als hätten wir vorher nichts anderes gemacht. Etwas hakelig ist es nur dann, wenn wir wenig Platz haben und die Kameraposition hinter Rechner und Monitor nicht anwählbar ist oder wenn das Spiel unklar kommuniziert, was es von uns erwartet. Wir haben unzählige Objekte, um uns im Sandbox-Modus zu verwirklichen und endlich ganz ohne Schlepperei und Lotto-Gewinn unsere Traum-LAN-Party auf die Beine stellen können. Schön wäre allerdings, wenn wir eigene Logos und Gegenstände kreieren und mit der Community teilen könnten und auch die Ergebnisse unseres Schaffens sehen würden – etwa im Story-Modus Zwischensequenzen von der LAN-Party, denn so ganz ohne animierte Menschen wirken die Räumlichkeiten in LAN Party Adventures auf Dauer etwas leblos. Wer kurzweilige narrative Abenteuer mag und bestenfalls noch ein Millennial und mit PC-Games aufgewachsen ist, kann sich in LAN Party Adventures auf einen unterhaltsamen Nostalgietrip begeben. Jüngere Semester können im Spiel erfahren, welche grandiose Periode sie verpasst haben und werden ggf. den Komfort der heutigen Ära etwas mehr zu schätzen wissen. Wir sehen uns in 25 Jahren wieder.
LAN Party Adventures wurde von Leap Game Studios zur Verfügung gestellt. Wir haben die Screenshots am PC aufgenommen.