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Im Test: Dead Take

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Ein Jahr nach dem Metroidvania Tales of Kenzera: ZAU blicken wir in Surgent Studios neuem Horror-Abenteuer Dead Take hinter die glitzernde Fassade Hollywoods.

Von Knebelverträgen und zwielichtigen NDAs (Non-Disclosure-Agreements) über Tyrannei und Kult-ähnlichen Zuständen am Filmset – Dead Take greift erhebliche Missstände in der Filmbranche auf und verarbeitet diese in einem psychologischen Thriller, der als zynisches Katz- und Maus-Spiel und auch als tiefgründige Selbstfindungsreise verstanden werden kann. Dead Take ist seit heute für 13,99 Euro auf Steam und im Epic Games Store für PCs erhältlich.

Bei der Vorstellung von Dead Take verrät der Gründer und CEO des Entwicklerstudios Surgent Studios Abubakar Salim gegenüber der Presse, dass ihm die Idee das Spiel bei seinen Reisen zum Vorsprechen in noblen Villen in den Hollywood Hills gekommen sei. An den Sets würde man immer mehr Dinge erfahren, die man so nicht erwarten würde, so Salim. EA habe Surgent mit seiner „Maschinerie“ zu verstehen gegeben, wie man mit Tales of Kenzera: ZAU ein Videospiel auf den Markt bringt. Pocketpair Publishing sei mit seinem Entwicklerhintergrund ein Partner, mit dem man Dead Take gemeinsam entwickelt hätte. Auch kulturelle Unterschiede seien in der Zusammenarbeit zur Geltung gekommen. Die Kollaboration mit dem Schauspieler-Ensemble sei von Kreativität geprägt gewesen. Zu den Hauptrollen gehören die beiden spielbaren Protagonisten Ben Starr als Vinny Monroe und Neil Newbon als Chase Lowry sowie Jane Perry als Lia Cain und Alanah Pearce als Victoria Cross. Newbon ist der Meinung, dass die Narrative in Videospielen auf Augenhöhe mit der hohen Qualität der Spielmechanik angelangt sei. Salim sei schon lange ein Bewunderer der Arbeit von Sam Lake (Alan Wake II) gewesen und deshalb habe er den Wunsch gehegt, ihn in das Spiel zu integrieren. Die weiteren Nebenrollen werden von namhaften Synchronschauspielerinnen und Synchronschauspielern wie Laura Bailey (The Last of Us: Part II), Matthew Mercer (Critical Role), Travis Willingham (Star Wars Jedi: Fallen Order) und CDawgVA (Honkai: Star Rail) bekleidet. Auch Sam Barlows Spiele Her Story und Immortality seien eine Inspiration für das Dead Take gewesen und Salim fände es interessant, beide Sams (Barlow und Lake) in einem weiteren Game zu integrieren.

Es ist 10 nach 10 abends und wir kommen in der Rolle von Chase Lowry (Neil Newbon) an einer luxuriösen verlassenen Villa auf den Hollywood Hills an, denn sein Kumpel und Schauspieler Vinny Monroe (Ben Starr) hat von dort aus sein letztes Lebenszeichen von sich gegeben. Chase und Vinny haben bei Filmlegende Duke Cain, Ausführender Produzent bei der Filmproduktionsfirma Lampblack Productions, für die gleiche Rolle des Willie in dessen kommenden Hollywood-Blockbuster The Last Voyage vorgesprochen. Während Vinny in seinen späten 20ern und auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist, ist der 40-jährige Chase eher auf dem absteigenden Ast. Nur einer von den beiden kann die Rolle bekommen und Dead Take stellt die Frage, wie weit man für den persönlichen Erfolg gehen würde.

Nachdem wir ein erstes Kombinationsrätsel absolviert und einen Chip mit der erforderlichen Zugangsberechtigung ausgestattet haben, erkunden wir die weitläufige, mehrstöckige Villa größtenteils in unserem eigenen Tempo aus der Ego-Perspektive und finden USB-Sticks mit Filmaufnahmen, die wir im Regieraum mit dem KI-Programm SPLAICE zusammenschneiden können. Bei den Aufnahmen handelt es sich um Vorsprech- oder Probe-Aufnahmen, die in professionell aufgenommenen und verstörenden Realfilmszenen aufgenommen wurden. Passenderweise werden die Filmschnipsel im privaten Vorführraum des Filmmoguls abgespielt, was einerseits recht atmosphärisch ist, andererseits erfordert das ständiges Backtracking dorthin, anders als etwa in Her Story oder Immortality, wo wir die Szenen jederzeit ansehen können, allerdings auch keinen Schauplatz erkunden können. Jeder Szene ist ein Symbol zugeordnet, was ein Indikator dafür ist, ob man die Clips zusammenfügen kann, um einen weiteren Kurzfilm freizuschalten. Das System erschließt sich einem zwar bei genauerer Betrachtung, die Brute-Force-Variante alle Clips miteinander zu kombinieren klappt natürlich auch, allerdings gibt es nicht all zu viele Clips, die man auf diese Weise erzeugen kann. Hinzu kommen Bonusvideos, die die Hintergründe mancher Haupt- und Nebenfiguren näher erläutern.

In dem von einer wilden Party gezeichneten Domizil finden wir immer wieder neue Filmszenen, die uns dann neue Spiel-Objekte verschaffen, welche nach einem langen, geheimnisvollen Klopfen wie aus Geisterhand außerhalb des Heimkinos erscheinen – etwa ein Stapel von Röhrenfernsehern – wie in KARMA: The Dark World – oder eine rote Glühbirne, mit der wir ähnlich wie in Sam Lakes Alan Wale II in einen neuen Raum wechseln können – einer Dunkelkammer, in der wir eine in Vergessenheit geratene Filmrolle entwickeln sollen und sie dafür in einer bestimmten Reihenfolge in bestimmte Flüssigkeiten tauchen müssen. Spätestens hier kommt der Ratschlag des Schöpfers Abubakar Salim zum Tragen: Zettel und Stift – oder richtig gesetzte Screenshots – helfen beim Lösen der zahlreichen Umgebungsrätsel, denn ein klassisches Questlog gibt es nicht. Dafür werden allerdings unsere gefundenen Hinweise automatisch an einer Pinnwand drapiert und mit Fäden miteinander verbunden, ähnlich wie im Mind Place von Alan Wake II.

Die Rätsel reichen dabei von einfach bis etwas anspruchsvoll. Selbst in den Filmszenen sind Hinweise wie Passwörter versteckt, gerade nach der großartigen Verwendung dieses Stilmittels in Immortality und der Interaktivität der Szenen fühlen sich die Sequenzen in Dead Take manchmal ziemlich statisch an, da wir währenddessen wie angewurzelt auf eine virtuelle Leinwand starren – ein Konzept, das zumindest später etwas aufgebrochen wird. Auf nervige Bildschirmanzeigen verzichtet Dead Take und so können wir uns ganz in den mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Räumen des Anwesens fallen lassen, jede Ecke untersuchen und dabei die schaurig-schöne musikalische Untermalung von Ross Tregenza (Helldivers II) genießen. Dead Take setzt immer wieder auf Schockeffekte, setzt Jump-Scares aber relativ behutsam ein. Viel mehr gelingt es dem Spiel auf psychologischer Ebene ein ständiges Gefühl des Unwohlseins zu entwickeln. Dazu trägt auch die Klangkulisse ihren Teil bei – ein dröhnender Bass, Baby-Schreie und Der Einsatz von Filmrequisiten und des Mediums in pervertierter Form sorgen dafür, dass dieses Gefühl im Verlauf des Spiels immer mehr verstärkt wird. Hierzu tragen etwa auch Sprachnachrichten des Hausherren und SMS von einer unbekannten Person mit mysteriösen Schlagwörtern zu bestimmten Charakteren, gerade in den Momenten, in denen wir mehr über diese erfahren, bei. So stellen wir auch eine Filmszene auf einem Schiff mit Schaufensterpuppen nach, versehen sie mit Posen und Props wie Rose, Bibel oder Schusswaffe und merken an den Anmerkungen des Regisseurs am Skript, wie langsam alles aus dem Ruder zu drohen scheint.

Gerade in der zweiten Spielhälfte behandelt das Spiel sensible Themen und zeigt Machtmissbrauch in expliziter, ungeschönter Form. Dead Take spielt mit markanten Bildern, allerdings finden wir immer wieder Notizen und Hinweise, die uns mehr Kontext zu den Szenen geben. Es ist ein schwieriger Balanceakt, da man mit zu viel Informationen entmystifiziert und mit zu wenig plakativ wirkt. Dead Take meistert diesen Drahtseilakt größtenteils gut, etwas mehr Kontext würden wir uns in manchen Szenen dann doch wünschen. So steht im Raum, dass ein Mitglied des Ensembles ersetzt werden soll. Wir erfahren zwar, was dazu führt, jedoch zu wenig zu den Auswirkungen für die einzelnen Beteiligten. Während wir zwischenzeitlich immer wieder Phasen haben, in denen wenig passiert, überrascht uns das Spiel dann wieder etwa mit einem komplett neuen Bereich, wie dem pompösen, vom antiken Griechenland zu inspiriert scheinenden Spa-Bereich mit riesiger Zeus-Statue und Dreizack, den wir wiederherstellen müssen, um weitere sehr düstere Geheimnisse in dem Haus zu lüften. Das intensive Ende wird stilgerecht in Realfilm- und spielbaren Szenen präsentiert und lässt überraschend viel Spielraum zur Spekulation, was wir denn nun eigentlich innerhalb der fünf bis sieben Spielstunden wirklich erlebt haben.

Surgent Studios setzt bei Dead Take auf die Unreal Engine 5, die beeindruckende Licht- und Schatteneffekte auf den Bildschirm zaubert. Mit etwas Optimierung können wir Dead Take selbst mit einer Grafikkarte auf dem Niveau einer GeForce RTX 4070 flüssig in 4K bei über 60 Bildern pro Sekunde spielen. Gerade das Senken der Beleuchtungs- und Reflexionsqualität lassen einige zusätzliche Frames zu und die Unterstützung von Upscalern wie TSR, Nvidias DLSS und Intels XeSS 2 sowie von Frame Generation macht das Erlebnis performanter.

Fazit

Dead Take ist ein durchgängig spannendes Horror-Abenteuer mit qualitativ hochwertigen Realfilmszenen, gut geschriebenen Dialogen und großartiger Inszenierung. Die Umgebungsrätsel sind meist nicht sehr anspruchsvoll und das Backtracking fühlt sich etwas unnötig an. Auch hätte die Anzahl der freischaltbaren Filmszenen ruhig etwas höher sein können, um noch mehr über die Figuren zu erfahren, von denen manche schon etwas blass bleiben. Gerade der Nebenstrang zur Hintergrundgeschichte von Duke Cain und die Szenen mit seiner Ehefrau Lia zeigt die Stärke des Drehbuchs und die schauspielerischen Qualitäten von Jane Perry. Dead Take wird vor allem vom Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller und den exzellenten Performances von Neil Newbon und Ben Starr getragen. Chase und Vinny entwickeln sich spürbar weiter im Laufe des kurzen Spiels. Die hitzige Suche nach Vinny lässt uns trotz kleinerer Makel bis zum bitteren Ende dranbleiben. Wir sind gespannt, was Surgent Studios als nächstes auffährt, schließlich hat man mit dem Metroidvania Tales of Kenzera: ZAU und dem Psycho-Thriller Dead Take zwei sehr unterschiedliche qualitativ hochwertige Games in kurzer Zeit produziert.

Dead Take wurde uns für den PC von Pocketpair Publishing zur Verfügung gestellt. Wir haben die Screenshots mit dieser Version erstellt.