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Im Test: Alan Wake II

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Der Thriller-Autor Alan Wake kehrt 13 Jahre nach seinem Verschwinden zurück und wir checken, ob er den roten Faden wieder aufnehmen kann.

Im Mai 2010 sorgte Alan Wake mit einer spannenden übernatürlichen Kriminalgeschichte mit glaubwürdig gezeichneten Figuren und einer eigenwilligen düsteren Atmosphäre für Aufsehen. Alan Wake’s American Nightmare ist ein Spin-off, das im Februar 2012 erschienen ist und zwar für wesentlich weniger Schlagzeilen gesorgt hat, der actionreiche Kurztrip nach Arizona hat sich dennoch für Fans des ersten Teils gelohnt.

You’re the seer, you can break the curse

In Alan Wake II verschlägt uns einmal mehr nach Bright Falls. Die FBI-Agenten Saga Anderson (Melanie Liburd) und Alex Casey (Sam Lake) werden in die fiktionale Kleinstadt im US-Bundesstaat Washington geschickt, um einen brutalen Mordfall, in dem der lokal für Terror sorgende Kult der Bäume involviert ist, zu untersuchen. Es entspinnt sich eine Mischung aus spannender Kriminalgeschichte und knallharter Survival-Horror-Story, welche erstmals in der Serie aus zwei Perspektiven erzählt wird. Während Saga in Bright Falls ermittelt, versucht sich Alan (Ilkka Villi/Matthew Porretta) im Dark Place, einer verschrobenen Anderswelt, einen Weg zurück in die Realität zu Schreiben. Schnell versinken wir ähnlich wie Alan selbst im Dark Place in der dichten düsteren Atmosphäre des Spiels, in dessen Verlauf die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zusehends verschwimmen. Sobald man einen Anhaltspunkt dafür gefunden hat, was eigentlich gerade geschieht und wer die Geschichte kontrolliert, kommt das Spiel mit dem nächsten unerwarteten Ereignis um die Ecke, aber nicht unbedingt des Überraschungseffekts wegen, sondern um die Geschichte zu bereichern. Im Vergleich zum Vorgänger ist Alan Wake II nochmals düsterer und schockt nicht nur mit einer beklemmenden Atmosphäre, sondern auch mit unmittelbaren Jump-Scares, allerdings wohl dosiert.

Im Laufe der Story treffen wir sowohl interessante neue Charaktere wie den unbeirrbaren neuen Sheriff Tim Breaker (Shawn Ashmore) oder dem mysteriösen Late Night Show-Host Warlin Door (David Harewood) als auch bekannte Gesichter wie die Lady des Lichts Cynthia Weaver (Linda Cook) oder die fiktive Heavy Metal-Band Old Gods of Asgard (Poets of the Fall), die nicht nur ein wichtiges Puzzlestück in der Story einnehmen, sondern auch eine Hand voll alter und neuer Lieder zum Besten geben. Zusätzlich freuen sich treue Fans von Remedy-Spielen über diverse Verbindungen zu anderen Games der finnischen Spieleschmiede. Während sowohl die Mimik als auch die englischen Original-Stimmen durchwegs überzeugen, gibt es Schwankungen in der Qualität der deutschen Synchro und die Dialoge in der Spiel-Engine sind oft nicht lippensynchron – ein Atmosphäredämpfer. Petri Alanko untermalt einmal mehr das Geschehen mit seinem atmosphärischen Score. Zwischen den Kapiteln hören wir die großartigen eigens für das Spiel unter Mitwirkung von Hauptautor Sam Lake geschriebenen Lieder von finnischen Künstlerinnen und Künstlern wie POE, Paleface und RAKEL.

Follow the deer to follow the owl

Die Tatsache, dass wir zwischen den beiden Hauptcharakteren wechseln können, trägt nicht nur zur Abwechslung bei, sondern macht das Spiel auch offener, dazu später mehr. Wir müssen zwar die einzelnen Kapitel pro Charakter in fester Abfolge spielen, können aber beispielsweise erst einmal bei einem Charakter bleiben, um uns in einer der beiden Welten weiter umzusehen, oder aber nach einer gehörigen Dosis Düsternis im Dark Place in das grüne Bright Falls zurückkehren. Dort kann sich Saga relativ frei umher bewegen. Obwohl der Dienstwagen stets aufgetankt bereitsteht, können wir nicht selbst Hand ans Steuer anlegen, sondern lediglich an vorgegebenen Stellen in der Geschichte an bestimmte Orte schnellreisen. Die Fahrzeugpassagen im Vorgänger waren mehr Mittel zum Zweck, daher verstehen wir diese Entscheidung, bei dem groß angelegten Straßennetz in und um Bright Falls hätte sich aber eine Erkundung mit dem Auto angeboten und für mehr Immersion gesorgt – das gelang selbst in Deadly Premonition, trotz ausbaufähiger Fahrphysik.

Apropos Deadly Premonition: Genau wie SWERYs in Greenvale, Washington angesiedelten Action-Adventure rund um FBI-Agent Francis York Morgan wurde Alan Wake stark von Twin Peaks inspiriert. Sam Lake war von der 2017 erschienenen dritten Staffel der TV-Serie Twin Peaks: The Return aus der Feder von Mark Frost und David Lynch begeistert und das zeigt sich in der Bildsprache, der Charakterisierung, der Story und der Verwendung von Musik in Alan Wake II. Weitere Einflüsse kamen etwa von Capcoms Resident Evil, was sich in der Verwundbarkeit der Hauptfiguren bemerkbar macht. Packen wir die Karte aus oder kramen wir im Inventar herum, müssen wir stets auf der Hut sein, denn wir können währenddessen von Besessenen angegriffen werden. Der Dark Place hat uns ein ums andere Mal in Sachen Leveldesign und Atmosphäre an Konamis Silent Hill erinnert.

In ihren Ermittlungen sammelt FBI-Agent Saga Anderson Hinweise, platziert diese in ihrer Gedankenwelt auf einer riesigen Pinnwand und nutzt darin auch Profiling-Techniken, um Zeuginnen und Zeugen weitere Infos zu entlocken, ohne dass die Dunkelheit davon erfährt. Eure Aufgabe ist es, die Hinweise richtig zu kombinieren und so im Kampf mit der Dunkelheit einen Schritt weiterzukommen. Alan besucht derweil im Dark Place, der als kleine Hub-Welt fungiert, diverse Schauplätze wie ein Kino und ein Hotel und kann dort einzelne Räumen, denen Szenen zugeordnet sind, mit passenden Settings auskleiden und sie so manipulieren, um neue Wege, Echos (Rückblenden) oder Story-Events freizuschalten.

Just endless darkness to fight

Im Kampf schlagen sich beide Charaktere gleich gut. Wie im Vorgänger treffen wir zahllose von der Dunkelheit Besessene. Zunächst gilt es mit der Taschenlampe oder mit Flares die Dunkelheit zu entfernen und sie dann mit Pistole, Revolver, Schrotflinte, Jagdgewehr oder Armbrust zu bekämpfen. Die Besessenen erscheinen in unterschiedlichen Formen, etwa als blitzschnelle Typen im Holzfäller-Hemd, als unberechenbarer Wolf oder als verkrümmte im Wasser schwebende Gestalt. Insgesamt gibt es aber im Gegnerdesign zu wenig Abwechslung. Die Bosskämpfe sind zwar top inszeniert und bieten interessante Schauplätze, durch die behäbigen Ausweich- und Nachladeanimationen und das Verhaken in der Umgebung wird der Spielspaß hier aber schnell getrübt. Die Kämpfe sind zwar besser zu bewältigen als im Vorgänger, aber immer noch nicht auf dem Top-Niveau in der Genrekonkurrenz. In hell erleuchteten Schutzräumen können wir speichern, Items lagern, unsere Gesundheit etwas aufbessern oder die Figur wechseln.

Während das Inventar zu Beginn recht klein ist, schalten wir später diverse Upgrades frei. Alan kann mit Wörtern der Macht sein Inventar vergrößern, für Lebensregeneration sorgen oder weitere Batterien für seine treue Taschenlampe mit sich führen. Hierzu gilt es im Dark Place sehr gut versteckte Graffitis zu finden, ähnlich wie die Riddler-Rätsel in der Batman Arkham-Serie. Saga sammelt hingegen Waffenpunkte und kann damit die Durchschlagskraft und die Reichweite der trägen Armbrust verbessern, Gegner mit zwei Kopfschüssen kurzeitig lähmen oder mit Dauerfeuer durch die Meute an Besessenen am Leuchtturm zu mähen. Dort befindet sich auch einer der zahlreichen Kinderreime, die mit Kreide auf den Boden gezeichnet wurden und die wir mit Puppen bestücken können. Zusätzlich sind in der Spielwelt Lunchboxes verteilt, die nicht nur Munition beinhalten, sondern auch immer interessante Puzzles bieten und mit ihren kurzen Notizen zur Story beitragen. Gleiches gilt natürlich für die Manuskriptseiten, die wie in Teil 1 überall verteilt sind und im Menü in Chronologie gebracht und etwas versteckt sogar in Gänze von Alan vorgelesen werden. Auch VHS-Kasetten gibt’s wieder zu sammeln. Während die Twilight Zone-Hommage Night Springs im ersten Teil über die im Spiel verteilten Bildschirme flimmerte, können wir etwa im Oh Deer Diner eine Reihe von Werbespots der Koskela-Brüder ansehen, die nicht nur für Lacher sorgen, sondern auch tief in die Geschichte eingewoben sind. Zeitungsausschnitte und Computerterminals sind weitere wichtige Puzzlestücke, um die komplexe Welt von Alan Wake II vollends verstehen zu können.

Licht und Schatten sind nicht nur in der Geschichte von Alan Wake II, sondern auch im derzeitigen technischen Zustand kurz nach der Veröffentlichung allgegenwärtig. Das Action-Adventure läuft auf einem PC mit aktueller Grafikkarte – dabei muss es nicht ein Topmodell sein – und einer SSD angenehm flüssig, lädt schnell und unterstützt mit DLSS 3.5 Frame Generation, Ray Generation, Path Tracing – sogar mit indirekter Beleuchtung – und FSR allerlei aktuelle Technologien, die das Spiel hübscher oder perfomanter machen. Setzt man hingegen auf ältere Hardware ohne all diese bunt klingenden Features, hat man es schwer das Spiel in 60 Bildern pro Sekunde erleben zu können. Technische Fehler, die wir erlebt haben, reichen von kleineren Problemen wie Abstürzen, erst nach einem Neustart verschwindende Hinweistexten oder schwarzen Bildschirmen bis hin zu das Spielerlebnis beeinträchtigenden Schnitzern wie fehlender Vertonung und gar einem Glitch, der mitten im packenden Endgame plötzlich die Luft rausnimmt, uns aufgrund der Auswirkungen eines vorhergehenden Kampfes den Weg versperrt und es uns nicht erlaubt, das Spiel abzuschließen. Remedy hat uns gegenüber bestätigt, dass an einem Hotfix zur Behebung des Problems, der noch in dieser Woche erscheinen könnte, gearbeitet wird. So waren wir auf einen Spielstand, der von Remedy bereitgestellt wurde, angewiesen, um die letzte Stunde des Spiels erleben zu können.

Fazit

Alan Wake II bietet sowohl auf psychischer als auch der visuellen Ebene ein packendes Survival-Horror-Erlebnis und erzählt eine emotionale vielschichtige Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, der wir gerne bis zum bitteren Finale versucht haben zu folgen. Remedy gelingt es, mit Saga Anderson eine interessante neue Protagonistin zu etablieren und sie auch spielerisch von Alan stark genug abzuheben. Das Spiel ist wesentlich weniger gleichförmig als der Vorgänger, das liegt auch an einigen großartigen Setpieces, die wir aus Spoilergründen nicht weiter erläutern. Auch wenn ihr mit der Serie bislang nichts anfangen konntet, solltet ihr Alan Wake II definitiv eine Chance geben, wenn ihr an interessantem Storytelling und Survival-Horror interessiert seid.

Epic Games hat uns ein PC-Muster für Alan Wake II und die Screenshots zur Verfügung gestellt.