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Zelluloitis - Filmecke

Filmfest München 2024 – Independents, Spotlight, Ukraine Focus

Das 41. Filmfest München fand vom 28. Juni bis zum 7. Juli 2024 statt. Wir waren für euch vor Ort.

Zahlreiche Filme wurden im Rahmen des Filmest München 2024 uraufgeführt, darunter Die Fotografin mit Kate Winslet und Andy Samberg, Führer und Verführer mit Robert Stadlober und Fritz Karl sowie Hallo Spencer – Der Film von Timo Schierhorn. Star-Power gab es auch bei The Dead Don’t Hurt mit Viggo Mortensen oder beim Eröffnungsfilm Zwei zu eins mit Sandra Hüller (The Zone of Interest).

Programm

150 Filme aus 50 Ländern wurden gezeigt. Dabei wurde das Programm u.a. in CineRebels, CineCoPro, Spotlight und Ukraine Focus unterteilt. Wie beim DOK.fest München 2024 haben wir drei davon herausgepickt.

The Dead Don't Hurt-Talk u.a. mit Viggo Mortensen (2.v.l.). Foto: Joel Heyd
The Dead Don’t Hurt-Talk u.a. mit Viggo Mortensen (2.v.l.). Foto: Joel Heyd

Another German Tank Story

Hollywood-Star James G. Johnson (Philipp Karner) soll für Dreharbeiten in das verschlafene Dörfchen Wiesenwalde, in dem jede und jeder jeden kennt, kommen. Der heimkehrende erfolglose Journalist Bert (Roland Bonjour) und Jenny (Gisa Flake), der die örtliche Kneipe Telemann Klause gehört, wittern das große Geschäft und andere wie der beatboxende Fahrer Tobi (Johannes Scheidweiler) hoffen endlich dem tristen Alltag entkommen zu können. Doch dann ist der namensgebende Panzer, der bei der enthusiastischen Bürgermeisterin Susanne (Meike Droste) geparkt wurde, plötzlich weg und der Strom fällt aus – unorthodoxe Lösungsansätze sind gefragt.

Bislang war Wiesenwalde lediglich als Geburtsstätte eines klassischen Komponisten bekannt. Das soll sich jetzt alles ändern – mit Pancake-Burgern und Shuttleservices. Vom eigentlichen Filmdreh hinter den Mauern der alten Fabrik bekommen wir wenig mit, außer wenn die Stille des Dorfes nachts urplötzlich von lautem Flakfeuer durchbrochen wird oder sich einige Bewerberinnen und Bewerber für Komparsenrollen beweisen müssen. Nach und nach werden die Verflechtungen zwischen den Figuren deutlich und die Story bekommt die ein oder andere überraschende Wendung. Das ein oder andere düstere Geheimnis wird im Laufe der rund anderthalb-stündigen Laufzeit auch gelüftet. Neben den großartigen schauspielerischen Leistungen gilt dem authentischen Setdesign, dem passenden orchestralen Soundtrack und den Kostümen gebühren ein besonderes Lob.

Another German Tank Story von Jannis Alexander Kiefer ist eine unterhaltsame Dramedy mit glaubwürdigen Charakteren, authentischen Dialogen und toller Ausstattung.

Europa

Die multinationale Organisation Europa weitet sich im Balkan aus, angeblich um die strukturschwache Region mit Investitionen zu unterstützen. Beate Winter (Lilith Stangenberg) weiht hierfür ein ein Stipendium für junge Frauen an der Albanischen Universität ein. Im ländlichen Südalbanien die Einwohnerinnen und Einwohner davon zu überzeugen, ihr Land gegen Geld aufzugeben, und inszeniert sich dabei als Heilsbringerin, schreckt aber im Grunde vor nichts zurück. Die verarmte Landbevölkerung nimmt das Angebot nicht mit überschwänglicher Begeisterung an und so versucht der Imker Jetnor (Jetnor Gorezi), der dem Orden der Bektaschi angehört, das Land seiner Ahnen vor der Habgier des Großkonzerns bewahren. Die Konfrontation mit Jetnor gesichtswahrend von Winter zu lösen sieht aussichtslos auch, doch dann entwickelt sie eine neue perfide Taktik. Darüber hinaus besichtigt sie zahlreiche Bunkeranlagen eines ehemaligen sozialistischen Diktators. Im Laufe des Films bekommen wir eine Ahnung davon, was Europa damit vorhat.

Europa wird größtenteils in albanischer und englischer Sprache erzählt. Stangenberg spielt die kühle Winter, die lediglich in den Video-Anrufen mit ihrer Familie menschliche Züge zeigt, überzeugend und Gorezi als traditionalistischer Familienvater mit starkem Gerechtigkeitsempfinden ebenso. Gerade in der Konfrontation zwischen den beiden weiß der Film zu glänzen, indem er die fundamentalen Unterschiede zwischen der traditionellen Kultur und des von Profitgier getriebenen Konzerns aufzeigt. Alles rund herum fällt dabei allerdings etwas ab, wodurch der Film ein wenig vor sich hindümpelt. Die wahren Motive Europas und was Winter genau von den üblen Machenschaften weiß, die im Laufe des Films angedeutet werden, bleibt bis zum Ende des 100-minütigen Films im Verborgenen.

Regisseurin Sudabeh Mortezai ist mit Europa ein unorthodoxes spannendes Drama gelungen, welches von den großartigen schauspielerischen Leistungen von Lilith Stangenberg und Jetnor Gorezi getragen wird. Zwischen Jetnors Opferung von Lämmern und Winters morgendlichem Yoga liegen nur wenige Kilometer, aber im Grunde doch Welten. Auch wenn der Film vieles im Unklaren lässt, weiß er bis zum bitteren Ende zu unterhalten.

Petra Kelly – Act Now!

Doris Metz Dokumentation Petra Kelly – Act Now! lässt zahlreiche Weggefährten der Mitgründerin der Partei Die Grünen zu Wort kommen, darunter ihren Halbbruder John Kelly, die Friedensaktivistin Cora Weiss, den Menschenrechts- und Umweltaktivisten Milo Yellow Hair aus der Pine Ridge Indian Reservation in South Dakota, Milo Yellow Hair, die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer (Fridays for Future), und die weiteren Grünen-Gründungsmitglieder Lukas Beckman, Eva Quistorp und Otto Schily (SPD). Dabei wird ihr Werdegang als Wahlkampfhelferin in ihrer Studienzeit in den USA für den 1968 ermordeten Senator Robert F. Kennedy und den US-Vizepräsidenten von 1965 bis 1969 Hubert H. Humphrey, über ihren Einsatz in der Klimaschutzbewegung und für Abrüstung im Kalten Krieg bis hin zur Gründung der Grünen im Jahr 1980 und deren Einzug in den Bundestag thematisiert.

In ihrer politischen Karriere musste Kelly gegen zahlreiche Widerstände ankämpfen, u. a. das Patriachat in der Politik, Misogynie in Gesellschaft und Journalismus und die gewalttätige LaRouche-Gruppe. Im gleichen Jahr, in dem Die Grünen erstmals in den deutschen Bundestag einziehen, präsentiert sie 1983 mit Parteikollegen dem SED-Vorsitzenden Erich Honecker einen Friedensvertrag und unterstützt öffentlich den Widerstand gegen die DDR-Diktatur. Vor der Freigabe ihrer Stasi-Akten wird sie am 1. Oktober 1992 von ihrem Partner, dem ehemaligen Bundeswehrgeneral Gert Bastian, erschossen. Die zahlreichen Archivaufnahmen wechseln sich mit Interview-Szenen mit Gesprächspartnerinnen und -partnern und Material aktueller Demonstrationen für Klimaschutz, gegen den Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine und gegen Abtreibungsverbote in den USA ab.

Petra Kelly – Act Now! gibt einen guten Überblick über das politische Wirken Kellys von den US-Wahlkämpfen Kennedys und Humphreys bis hin zur deutschen Wiedervereinigung, einzigartige Einblicke in ihr bewegtes Privatleben und inwieweit ihr Aktivismus heute noch mehr denn je relevant ist.

Preisträgerinnen und Preisträger

Während Kate Winslet für ihre Lebensleistung mit dem CineMerit Award ausgezeichnet wurde, sind zahlreiche weitere Filme prämiert oder als ehrenvolle Erwähnung ausgezeichnet worden.

Förderpreis Neues Deutsches Kino

  • Beste Regie: Fabian Stumm für Sad Jokes
  • Bestes Drehbuch: Aaron Arens für Sonnenplätze
  • Beste Produktion: Semih Korhan Güner für Milch ins Feuer
  • Bester Schauspieler: Atika Jumaih Bashiru für O Chale

CineMasters Award

Eine Erklärung für Alles von Gábor Reisz

CineCoPro Award

To a Land Unknown von Mahdi Fleifel

Special Mention

The Village next to Paradise von Mo Harawe

CineVision Award

Simón de la Montaña von Federico Luis

CineRebels Award

Việt and Nam von Minh Quý Trương

Special Mention

Fragments of Ice von Maria Stoianova

Starter Filmpreise: Kulturreferent Anton Biebl, Julia Fuhr Mann, Franziska Unger, Emil Klattenhof, Angela Reedwisch und Aaron Arens. Foto: Ronny Heine
Starter Filmpreise: Kulturreferent Anton Biebl, Julia Fuhr Mann, Franziska Unger, Emil Klattenhof, Angela Reedwisch und Aaron Arens. Foto: Ronny Heine

CineKindl Award

Lars ist LOL von Eirik Sæter Stordahl

Young Jury Award

Hoard von Luna Carmoon

Special Mention

Sisterqueens von Clara Stella

Fipresci-Preis

Fabian Stumm für Sad Jokes

Robert Stadlober (Führer und Verführer). Foto: Kurt Krieger
Robert Stadlober (Führer und Verführer). Foto: Kurt Krieger

Audience Award

  • Audience Award National: Führer und Verführer von Joachim A. Lang
  • Audience Award International: Samia von Yasemin Şamdereli und Deka Mohamed Osman

CineKindl Audience Award

Dìdi von Sean Wang

Kate Winslet (Die Fotografin). Foto: Kurt Krieger
Kate Winslet (Die Fotografin). Foto: Kurt Krieger

Das Filmfest München hat uns Zugang zu der Veranstaltung gewährt. Bildquelle: Filmfest München