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Im Test: KARMA: The Dark World

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KARMA: The Dark World wurde von dem in Shanghai ansäßigen Entwicklerstudio Pollard Studio entwickelt und heute von Wired Productions für PC und PlayStation 5 veröffentlicht. Eine Version für Xbox Series X|S, die laut der Produktseite auch auf der Xbox One spielbar sein soll, soll zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen. Wir haben auf der gamescom die Gelegenheit mit einer Entwicklerin zu sprechen und eine Vorabversion zu spielen, die ihr auch in diesem Video sehen könnt. Die Szenen aus der Demo und aus der Vorabversion stammen teilweise aus dem späteren Spielverlauf und so war es auch gar nicht möglich, die ohnehin sehr geheimniskrämerisch erzählte Story zu verstehen. Auch nach dem Durchspielen von KARMA: The Dark World bleiben noch einige Fragen offen, aber starten wir von vorne.

Es ist 1976 und wir schlüpfen in die Rolle des Roam-Agenten Daniel McGovern, der für das Thought Bureau der Firma Leviathan arbeitet. Wir befinden uns in einer alternativen Realität, in der die DDR nach Kriegsende etwas gefunden und eine Technologie namens „Mutter“ entwickelt hat. Mutter befehligt die Agenten und quetscht die Roam-Agenten in „Braindives“ aus – davon werden auch Agent „0007“ J. Bond und S. Bridges nicht verschont. In Braindives wird in die Gedankenwelt des Gegenüber abgetaucht, ein Vorgang der kürzlich auch in Split Fiction, welches wir auch bald unter die Lupe nehmen werden, behandelt wird. Als Roam-Agent ist es Daniels Aufgabe, mit einer Art Virtual Reality-Headset sich in das Gehirn von Verdächtigen zu begeben und so an neue Erkenntnisse zu gelangen. So müssen wir etwa, wie in der Demo, einen angeblichen Diebstahl von Sean Mehndes, einem ehemaligen Wissenschaftler, untersuchen. Durch die ständigen Realitätswechsel verschwimmen die eigenen Erinnerungen und die der Verdächtigen allmählich und es beginnt ein Monster immer öfter in Erscheinung zu treten. Hinzu kommt, dass wir mehr über die dunklen Hintergründe des autokratischen Systems herausfinden, etwa über die blauen Pillen, die Arbeitende schlucken sollen, um im Grunde 24/7 zu arbeiten und vor allem über Experimente mit einer schwarzen Substanz, auf die wir immer wieder im Spielverlauf stoßen. Auch eine berührende tragische Liebesgeschichte entspinnt sich, die zu den Höhepunkten des Spiels zählt.

Sowohl in seiner Erzählform als auch in den Gameplay-Mechaniken überrascht KARMA: The Dark World immer wieder. So wird der düstere Look plötzlich mit einer malerischen handgezeichneten Präsentation getauscht. Während wir in einem Moment ein altes Herrenhaus erkunden, Umgebungsrätsel lösen und optionale Notizen und Audio-Logs entdecken, werden wir im nächsten Moment zu einem kleinen Puzzleteil in einer monochromen Welt, locken das Monster in immer schwieriger werdenden Dungeons in Fallen oder bekämpfen eine böse Hexe, indem wir mit unserer Kamera das bedrohend herein spülende Wasser in den dunklen Korridoren senken, die Hexe sichtbar machen und ihren Rücken fotografieren, während sie von der Propaganda auf dem Fernseher abgelenkt wird. Auch die Perspektive, aus der wir die Story erleben, wechselt im Laufe des Spiels.

Rachel Weiss will ihrem strengen Elternhaus entkommen und sieht sich gezwungen, sich ganz dem patriarchalen misogynen System hinzugeben. Es ist nicht nur die großartige englische Synchronisation und die fantastische Musikuntermalung von Geng Li, die uns in diesen Momenten einen Schauer über den Rücken laufen lässt, sondern auch die markante Präsentation, etwa die zahlreichen Schuhe, die an Rachels Bett gereiht sind, ein Turm aus alten Fernsehern, der den im Leviathan-Hamsterrad gefangenen Arbeitenden als Weihnachtsbaum dienen soll oder Seans Wohnung, die mit roten Vorhängen und Schachbrettmusterparkett ausgelegt ist – ein Schelm, wer da an eine bekannte Mystery-TV-Serie denkt. Auch die Einrichtung der Schauplätze und die Kostüme passen gut in die dargestellte Ära. Obwohl wir zahlreiche Anspielungen an Bücher, Filme, Serien und Spiele finden, bietet KARMA. The Dark World genügend eigene kreative Ideen, um das Spielerlebnis einzigartig zu machen.

Gegen Ende des Spiels muss man viel Sitzfleisch mitbringen, denn für weite Teile schauen wir lange, aber zugegebenermaßen qualitativ sehr hochwertige Zwischensequenzen an. Um die komplexe Story in ihrer Gänze zu verstehen kann es erforderlich sein, die rund sechsstündige Kampagne mehrfach zu spielen. Optionale Rätselboxen stellen sich als echte Kopfnüsse heraus und das, obwohl sie im Vergleich zur Vorabversion noch entschärft wurden. Sie dienen als zusätzliche Motivation, einzelne Kapitel noch einmal anzuwählen und alle Sammelfiguren zu bekommen. Auch die Qualität der chinesischen Stimmen scheint hochwertig zu sein, was man der deutschen Übersetzung mit ihren Rechtschreibfehlern nicht immer bescheinigen kann.

v.l.n.r.: Rätsel in der Vorabversion und im fertigen Spiel

 

Das Spiel unterstützt auch Nvidias neue Multi-Frame-Generation-Technologie, die Grafikkarten der GeForce RTX 50-Serie unterstützen, doch auch auf einer RTX 4070 läuft KARMA: The Dark World durchweg flüssig auf maximalen Details in 1440p und der Unreal Engine 5-Titel hat bei uns keinerlei Abstürze verursacht. Auch für die PS5 Professional soll das Spiel optimiert sein und in nativer 4K-Auflösung bei beständigen 60 Bildern pro Sekunde laufen, wir konnten die Konsolenversion allerdings bislang nicht ausprobieren.

Fazit

KARMA: The Dark World ist ein intensives kurzweiliges Erlebnis mit einem unverbrauchten Setting, einer spannenden verworrenen Geschichte und einer großartigen Präsentation. Der markante Look des Spiels vereint Ostblock-Romantik mit Orwells 1984 und das Thought Bureau erinnert bisweilen sehr an das FBC-Gebäude in Remedys Control. Doch KARMA ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Referenzen an Twin Peaks, James Bond, Inception, Death Stranding und Metal Gear Solid, Pollard Studio hat neben einem alles umfassenden Mystery, das man gerne entdeckt, auch zahlreiche kreative Spielmechaniken in KARMA: The Dark World verbaut, auch wenn wir einige davon nur für wenige Minuten auskosten können. Ein Nachfolger wird am Ende angedeutet und aufgrund des guten Fundaments, können wir uns durchaus vorstellen, bald einen weiteren KARMA-Titel zu sehen. Wer keine spielerische Herausforderung sucht, ein Faible für Horror-Games hat und keinen Brainfuck während des Braindives scheut, der liegt mit KARMA: The Dark World genau richtig.

Wired Productions hat uns KARMA: The Dark World für PC zur Verfügung gestellt. Mit dieser Version haben wir die Screenshots erstellt.