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Im Test: Dreams of Another

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Keine Schöpfung ohne Zerstörung: Der Mann im Pyjama und der wandernde Soldat stellen in Dreams of Another einige klassische Videospielkonzepte auf den Kopf.

Dreams of Another ist das neue Spiel der japanischen Spieleschmiede Q-Games, die für die PixelJunk-Serie bekannt sind. Tomohisa Kuramitsu, besser bekannt als Baiyon, ist der kreative Kopf hinter dem Action-Adventure. Der Musiker war schon Musikalischer Direktor des Rhythmusspiels PixelJunk 4am, welches auf der PS3 die PS Move-Controller nutzten. Dreams of Another nutzt hingegen konventioneller Eingabemethoden mit Controller auf PS5 und Maus/Tastatur am PC, es unterstützt allerdings auf PS5 auch PlayStation VR2, was wir nicht getestet haben. In dem Spiel übernehmen wir die Rolle des Mannes im Pyjama, der gemeinsam mit dem wandernden Soldaten unterschiedliche Szenarien in einer Traumwelt löst – eine ungewöhnliche und charmante Selbstfindungsreise.

Die Welt in Dreams of Another ist abstrakt und der verwendete Grafikstil einzigartig. Während die Modelle allesamt recht polyonarm sind, verschmelzen sie wie in einem Aquarell ineinander und jedes Objekt besteht aus unzähligen Pixel. Wir steuern den Mann im Pyjama aus der Verfolgerperspektive und schießen mit unserem Maschinengewehr mit unbegrenzter Munition die uns allseits umgebenden Pixelmassen ab und stellen so die Umgebung wieder her – Schöpfung durch Zerstörung. Jedes Objekt hat eine Seele (im Spiel Aura genannt) und murmelt vor sich hin bis wir es ansprechen. Mindestens 190 verschiedene Objekte und Tiere haben alle eine Seele und erzählen uns von ihren Nöten, Sorgen und Träumen. So beschwert sich ein Getränkeautomat über die lauten Münzen, Engelsstatuen geben Kalendersprüche von sich, nur um deren Bedeutung direkt im Anschluss direkt zu hinterfragen und eine Gruppe von Kisten sorgt sich um ihren Ruf, da sie mit dem gelb-schwarzen Absperrband doch etwas furchteinflößend wirkt, wenngleich auch nur Toilettenpapier darin schlummert, die der Leiter des Vergnügungsparks im Clownskostüm wohl besonders sichern wollte. Diese Empfindungen können wir uns auch später in Ruhe im Menü einzeln noch einmal anhören.

Sammeln wir nach dem Abschießen von Objekten eine blaue Aura-Flüssigkeit auf, bleibt die Umgebung erst einmal erhalten, ansonsten müssen wir die ständig nachwachsenden Pixelmassen wieder zurecht schießen, um uns bewegen zu können. Verlorene Auren beruhigen wir mit Waffengewalt, um mit ihnen interagieren zu können. Ist der Gullideckel wieder emotional empfänglich, können wir etwa zu einer Maulwurfsfamilie hinabsteigen, die uns dabei hilft, einem Jungen mit familiären Problemen seinen letzten Wunsch zu erfüllen, kurz vor seinem Umzug noch einmal das bezaubernde Klavier zu hören. Besagtem Clown helfen wir bei einem Besuch eines wichtigen Interessenten dabei, ausrangierte Fahrgeschäfte im Freizeitpark Heaven’s Door wieder in Stand zu bringen. Hierzu schießen wir die Gondeln eines Riesenrads ab oder nehmen uns den Tassen eines Kaffetassenkarussells an.

An anderer Stelle unterstützen wir eine Gruppe aus Fischen um eine besonders unterhaltsame Muräne dabei, aus einem Aquarium zu entkommen, um sie ins Meer in die lang ersehnte Freiheit zu entlassen. Hier stellen wir uns einem Schiffswrack und dessen Kanonen. Bosskämpfe sind diese Szene nicht im eigentlichen Sinne, denn sterben können wir darin nicht.

In einem Wettbewerb suchen wir nach einem Roboter, der die Nachfolge eines bejubelten Malers antreten soll, darunter ein Pärchen, das sich gegenseitig bekämpfen, denn der eine Roboter möchte Kreieren während der andere aufs Zerstören aus ist. Ein Thema, das sich quer durch das Spiel zieht. Das Spiel wechselt immer zwischen diesen unterschiedlichen Szenarien hin und her bis wir sie gelöst haben. Übersehen wir etwa einmal die Interaktion mit einem Fahrgeschäft, kommt die Szene später noch einmal. Einerseits ist es positiv, nicht zu sehr vom Spiel an der Hand geführt zu werden, andererseits kann sich das wie eine unnötige Verlängerung der Spielzeit anfühlen, die mit vier bist fünf Stunden ohnehin recht kurz bemessen ist.

In Dreams of Another können wir vermeintlichen Müll (im Spiel Kleinigkeiten genannt) aufsammeln und damit beim Soldaten nützliche Spezialwaffen wie Granaten und einen Raketenwerfer freischalten, mit denen wir Pixelbarrieren schnell pulverisieren, und neue Fähigkeiten wie Sprinten oder weiße Hilfslinien, die uns auf das nächste Ziel hinweisen, erwerben. Ein Questlog oder überbordende Bildschirmanzeigen gibt es nämlich nicht. Das Erkunden von überschaubaren Arealen wird immer wieder von Rückblenden und Knobelpassagen, in denen wir relativ simple Perspektivrätsel lösen, aufgelockert.

Während die interessanten Nebengeschichten für Abwechslung, Tiefsinnigkeit etwa in Deep Dives zur Definition von Kunst und die skurrilen Situationen Für den ein oder anderen Lacher sorgen, schlägt die Hauptgeschichte ernstere Töne an. Der wandernde Soldat bekommt es nicht übers Herz, in einem Kriegsgebiet auf einen anderen Menschen zu schießen, wird deswegen verwundet und leidet offensichtlich auch an den psychologischen Folgen des Krieges. Im Spielverlauf treffen wir auch ab und an Entscheidungen und die Reaktion der Charaktere verändert sich je nachdem, welche Antwort wir als Mann im Pyjama dem Soldaten gegeben haben. So möchte er von uns wissen, wann wir Dinge wegwerfen und wir können erwidern, dass wir so lange damit warten bis sie kaputt oder unnötig sind oder wenn wir uns danach fühlen. In einer Hand voll spielbarer Rückblenden erleben wir in teils herzzerreißenden Momenten prägende Momente der beiden Protagonisten, etwa wie der Soldat Abschied von seiner großen Liebe genommen hat oder der Pyjama-Mann in Kindheitstagen eine streunende Katze liebgewonnen hat. Das Ende schließt das Spiel bündig ab, lässt dabei aber weiterhin einige Fragen offen. Im Neues Spiel+ können wir das Spiel von vorne angehen und dabei behalten wir den Fortschritt unserer Verbesserungen, die freigeschaltete Tipps und Empfindungen, die aufgesammelten Kleinigkeiten und unseren Munitionsvorrat bei.

Erwartungsgemäß ist der Soundtrack von Baiyon gelungen, manche Szenen sind nur so kurz, dass wir recht wenig davon zu hören bekommen. Die ätherische Musik und die zahlreichen Soundeffekte verweben sich mit der besonderen Ästhetik des Titels zu einer buchstäblich traumhaften Symbiose. Auch die Qualität der englischen Vertonung ist exzellent, genauso wie die fantasievolle deutsche Lokalisierung der Bildschirmtexte.

Dreams of Another unterstützt auf PC und Konsole HDR (High Dynamic Range), was der farbenreichen Optik zuträglich ist. Auf PS5 Pro läuft das Spiel in bis zu 60 Bildern pro Sekunde mit Unterstützung für VRR (Variable Refresh Rate). In der Version, die uns vor der Veröffentlichung des Spiels zur Verfügung gestellt wurde, hatten wir zunächst noch ein paar Performance-Probleme auf PS5 Pro. Selbst mit variabler Bildrate konnten wir mit einem entsprechenden TV in Arealen mit besonders vielen Pixeln allerdings Einbrüche bis unter 50 Bilder pro Sekunde feststellen. Seitdem sind mehrere Updates erschienen und wir konnten in einem neuen Lauf im Neues Spiel+ keine Einbrüche der Bildrate mehr feststellen. Dreams of Another läuft auf PS5 Pro mit VRR stabil in 60 FPS, auch wenn wir dichte riesige Pixel-Wolken zur bildgewaltigen Explosion bringen.

Am PC bietet das Spiel die Grafikeinstellungen Qualitätsvoreinstellung, Punktwolkendichte, Rendering-Skalierung und Schatten. Gerade bei der Skalierung der Auflösung hätten wir uns gewünscht, eine Prozentanzeige zu sehen, stattdessen gibt es hier die gleichen Abstufungen wie in den übrigen Grafikoptionen. Im Vollbildmodus scheint das Spiel automatisch in den randloses Fenster-Modus zu schalten, ohne eine solche Borderless-Option separat anzubieten. Die Ausgabeauflösung kann weder im Fenster- noch im Vollbildmodus nicht konfiguriert werden. Das Spiel scheint die Desktopauflösung zu übernehmen. Die Bildrate ist am PC wie auf der Konsole auf maximal 60 FPS festgelegt. Alternative Optionen, etwa eine unbegrenzte Framerate für Bildschirme mit höheren Frequenzen oder eine 30 FPS-Begrenzung für PC-Handhelds, sind nicht vorhanden.

Mit einem DualSense-Controller erhalten wir am PC, wie auf der PlayStation, haptisches Feedback und können die adaptiven Trigger nutzen. Gerade in der Eröffnungssequenz steigt die Immersion durch die Wiedergabe des Pulsschlages des Protagonisten über die Vibrationsmotoren des Controllers damit merklich. Das klappt sogar im Bluetooth-Modus, wovon sich manche Spiele, die teils am PC im kabellosen Modus nicht einmal PlayStation-Aktionsknöpfe anzeigen geschweige denn die genannten exklusiven Features des Sony-Controllers unterstützen, eine Scheibe abschneiden können. Die Steuerung mit Maus und Tastatur ist ebenso präzise wie mit den Analog-Sticks.

Eine GeForce RTX 4080 Laptop GPU produziert dauerhaft flüssige 60 Bilder pro Sekunde bei maximalen Grafikeinstellungen in 1600p. Dreams of Another ist in dieser Auflösung mit mittleren Grafikeinstellungen selbst mit der integrierten Grafikeinheit Radeon 780M in 60 FPS spielbar. Die geringere Detaildichte ist hier der Atmosphäre etwas abträglich, da gerade die voluminösen Pixelwolken das Alleinstellungsmerkmal des Titels sind. Trotzdem ist es lobenswert, dass das Spiel in mehr als annehmbarer grafischer Qualität auf Laptops ohne dedizierter Grafikkarte und damit möglicherweise auch PC-Handhelds durchgängig in der gleichen Bildrate wie auf der Konsole laufen kann.

Fazit

Dreams of Another ist ein gelungenes narratives Abenteuer mit einer besonderen Ästhetik und einer ungewöhnlichen Spielmechanik. Durch das Abschießen der Umgebung schöpfen wir neue kreativ angelegte und lebendige Welten, was wir in diesem Ausmaß bislang noch nicht erfahren haben. Der besondere Look des Spiels, der gut gesetzte Schnitt, die großartige Musik und die hochwertige Synchro kreieren eine ganz eigene Welt. Anders als in den PixelJunk-Spielen von Q-Games, die eher auf ausgefeiltes Gameplay setzen, ist hier die Story im Vordergrund und die Schussmechanik zur Materalisierung fühlt sich nach einer Weile eher als Mittel zum Zweck an, die Story voranzubringen. Die abwechslungsreichen Szenarien und interessanten Dialogen motivieren uns zum Weiterspielen, doch die abgedrehte und portionsweise weitererzählte Story mag nicht jede Spielerin und jeden Spieler ansprechen. Die kurzen Abschnitte eignen sich dafür, das Spiel in kurzen Sitzungen zu spielen, etwa auf PC-Handhelds wie dem Steam Deck.

In Dreams of Another lohnt es sich wirklich, die hinterste Ecke des Level zu erkunden, um ein skurriles Gespräch mit einer künstlichen Pflanze über die Vergänglichkeit des Lebens freizuschalten. Dreams of Another bildet viele interessante Perspektiven, ab wie noch wenige Spiele zuvor. Für den Preis von 34,99 Euro bietet es zwar eine relativ kurze Spielzeit, wem es allerdings nach einem etwas ungewöhnlichen und berührenden Abenteuer dürstet, der sollte Dreams of Another in jedem Fall eine Chance geben. Eine kostenlose Demo ist auf Steam und im PlayStation Store verfügbar, wo Dreams of Another am 10. Oktober erscheinen wird.

Dreams of Another wurde uns von Q-Games für PlayStation 5 und PC zur Verfügung gestellt. Wir haben die Screenshots auf PS5 Pro aufgenommen.