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Im Test: Yakuza 0

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Hierzulande ist die japanische Traditionsschmiede SEGA vor allem für die ambitionierte gescheiterte Konsole Dreamcast und den blauen Igel Sonic bekannt. Im Herkunftsland sieht’s anders aus, wir klären euch auf.

Ryū ga Gotoku (zu Dt.: “Wie ein Drache”) schlug 2005 in Japan ein wie eine Bombe. Das Action-Adventure für die PS2 erzielte 37 aus 40 Punkten beim populären Magazin Famitsu und verkaufte sich in den ersten beiden Jahren auf dem asiatischen Markt über eine halbe Million mal. Protagonist Kazuma Kiryu nimmt es mit der japanischen Unterwelt auf und kämpft mit Leidenschaft und Überzeugung für seine Ideale. Dabei setzt er sich in einem elaborierten Kampfsystem mit Fäusten und Beinen zur Wehr und erlebt eine hoch emotionale Geschichte. Knapp ein Jahr später setzte SEGA das Spiel als Yakuza für den westlichen Markt um und wird zur Lachnummer, denn die tolle japanische Synchronisation wird mit hochkarätigen, aber völlig unpassenden Hollywood-Schauspielern wie Mark Hamill und Michael Madsen vertont.

Trotz dieser Blamage ist dies der Start einer Serie, die ihr treues Publikum stetig erweitert. Im Laufe der PS2- und PS3-Ära werden weitere vier Teile jeweils ein bis drei Jahre nach dem japanischen Release veröffentlicht. Ein paar Nippon-exklusive Ableger wie Kenzan und Ishin bleiben westlichen Zockern, sofern sie nicht parallel mit einer der detaillierten englischen Video- und Text-Komplettlösungen verbringen wollen, vorbehalten.

Yakuza 0 wird am 24. Januar 2017 als erstes Kapitel der Serie für die PlayStation 4 in Europa und Nordamerika veröffentlicht. Im Vergleich zu Yakuza 5 auf der PS3 freuen wir uns darüber, dass das Spiel auch im stationären Handel mit einer weitaus größeren Auflage als bei vorangegangenen Teilen erscheint. In Nordamerika entscheidet sich SEGA sogar dazu, eine “Business Edition” mit einem Visitenkartenetui aus Metall mit Yakuza-Tribals samt drei Karten zu den beiden Protagonisten und den Hostessen des Spiels zu veröffentlichen. Koch Media kümmert sich indes um den Vertrieb außerhalb Nordamerikas und verzichtet auf die Beigabe, sorgt aber hingegen dafür, dass das Spiel aktuell schon für die Hälfte des US-Preises erhältlich ist.

Geschichte

Kazuma Kiryu ist seit jeher das Aushängeschild der Serie. In Yakuza 0 erleben wir die Anfänge des gut gebauten Mannes mit den hochgegelten Haaren, der seit nunmehr 12 Jahren mit der rauen Stimme von Takaya Kuroda synchronisiert wird. Im Zeitalter von Comicbuch-Verfilmungen und TV-Serien ist es nicht verwunderlich, dass auch Videospiele die Route der sogenannten Prequels einschlagen, also die Herkunftsgeschichte von einzelnen bereits etablierten Figuren erzählen. In diesem Spiel erleben wir, wir im Dezember 1988 erstmals den 20-jährigen Kiryu, der nicht nur mit den diversen Clans in der Unterwelt Tokios hadert, sondern auch seinen eigenen Weg finden und zum Drachen Dojimas aufsteigen muss.

Kiryu ist Teil des Tojo-Clans, der über weite Teile Tokios herrscht. Innerhalb des Tojo-Clans gibt es verschiedene Familien, die mit allen Mitteln um die Macht innerhalb der Organisation kämpfen. Kiryu gehört der Dojima-Familie an, die das Gewaltmonopol innerhalb des Clans innehat. Zu Beginn des Spiels verprügelt Kiryu einen am Bode liegenden Anzugträger und es bleibt zunächst offen, ob er ihn umbringt und welche Motive er dafür hat. Als der Mann dann stirbt und Kiryu des Mordes beschuldigt wird, sieht er sich gezwungen den Anstecker des Tojo-Clans vorerst an den Nagel zu hängen,  die Verschwörer ausfindig zu machen und herauszufinden, warum der Tatort, genannt Empty Lot (zu Dt. “leeres Gelände”) das begehrteste Stück Grund in Kamurocho ist. Sein Operationsgebiet ist Kamurocho, ein fiktiver Vergnügungsbezirk in Tokio, der auf dem Vorbild von Kabukicho basiert.

Der zweite spielbare Charakter ist Goro Majima. Er ist Teil der Shimano-Familie des Tojo-Clans. Nachdem er gegen die Befehle des Oberhauptes Finto Shimano verstößt (Yakuza 4-Fans konnten dies in einem Rückblick erleben) wird er für Jahre brutal gefoltert und schließlich in das Äquivalent Kamurochos in Osaka namens Sotenbori verbannt. Dort führ er einen Nachtclub und hat sich den Ruf des Meister des Nachtlebens erarbeitet. Schon bald erhält er aber den Auftrag, Makoto Makimura hört, auszuschalten. In einem Massage-Studio stöbert er einen glatzköpfigen Typen auf, der angibt diese Person zu sein. Schon bald stellt sich heraus, dass es sich bei Majimas Ziel um eine erblindete junge Frau handelt, die im Zentrum der Story von Yakuza 0 steht und die weitere Handlung maßgeblich prägt.

In der Yakuza-Serie wird man üblicherweise mit einer Unzahl an Clans, Familien und den Stellvertretern ebendieser konfrontiert. Dadurch fällt es schwer, den Überblick über die komplexe Geschichte zu behalten. Mit Yakuza 0 gehen die Storyschreiber von SEGA einen neuen Weg. Ihr trefft zwar auf zahlreiche Charaktere, wirklich wichtig ist aber nur eine Handvoll. So fällt es auch Neueinsteigern leichter, dem roten Faden der Haupthandlung zu folgen. Genießt man die Story in Gänze, so wird man mit zahlreichen Wendungen und emotionalen Gänsehaut-Momenten konfrontiert und einem zufriedenstellenden Ende belohnt. Fans der Serie freuen sich über diverse Anspielungen, die nachfolgende Ereignissen vorausahnen lassen. Die Story von Yakuza 0 zählt aufgrund der toll geschriebenen Dialoge, tiefgründigen Charaktere und auflockernden Momente zu den Besten, die in den letzten Jahren in Videospielen erzählt wurden.

Die Handlung wird in Yakuza 0 serientypisch in aufwändig inszenierten Zwischensequenzen präsentiert. Während der Großteil in Spielgrafik abläuft hat man sich diesmal darum bemüht, die überwiegende Mehrheit japanisch zu vertonen. Wichtige Szenen werden in Form vorgerenderter Filme präsentiert. Neu ist, dass wenige Teile der Story auch in einer Art von Motion Comics erzählt wird. Hier konzentriert man sich, die Mimik der Figuren detailliert darzustellen, ohne dass sich die Lippen oder Körper der Figuren bewegen. Anfangs ist das befremdlich, fügt sich aber gut in den Stil des Spiels ein. Alle Untertitel und Texte sind in englischer Sprache gehalten.

Gameplay

Die Yakuza-Serie wird in ihrer 12-jährigen Geschichte seither im Westen als “GTA in Japan” bezeichnet und damit verunglimpft. Dabei handelt es sich weder um eine blanke Kopie der Vorlage von Rockstar Games, noch ist die Serie maßgeblich davon inspiriert worden. Erinnert man sich an die Dreamcast und deren größten Hit Shenmue zurück, kann man erahnen, in welche Kerbe Yakuza spielerisch schlägt.

Herzstück von Yakuza 0 ist das Kampfsystem. Beide Charaktere verfügen über jeweils drei Kampfstile. Während Kiryu zwischen “Brawler”, “Beast” und “Rush” wählen kann, stehen Majima die Varianten “Thug”, “Slugger” und “Breaker” zur Verfügung. In Brawler/Thug setzen die beiden Protagonisten auf Kombinationen aus Faustschlägen, Würfen und starken Tritten. Im Beast-Modus schlägt Kiryu kräftiger zu, ist dafür behäbiger. Befindet er sich in der Nähe von Stühlen, Tischen oder Topfpflanzen zweckentfremdet er diese Objekte automatisch und drescht mit ihnen auf seine Gegenüber ein. Majima ist als Slugger auch etwas langsamer unterwegs, darf aber seine Gegner mit dem unzerstörbaren Baseballschläger malträtieren. Obwohl zerbrechliche Nah- und Fernkampfwaffen wie Nunchakus, Katanas, Pistolen und Schrotflinten mit jedem Kampfstil eingesetzt werden können, entfesseln diese im Slugger-Stil neue Angriffsmöglichkeiten. Wählt Kiryu den Rush-Stil, so verteilt er blitzschnelle Hiebe und weicht schneller aus. Im Breaker-Modus wird Majima buchstäblich zum Breakdancer und vollführt die wildesten Drehattacken, die Tekkens Christie Monteiro vor Neid erblassen lässt.

Das klingt jetzt erstmal sehr komplex, doch das Spiel eröffnet euch die verschiedene Stile nach und nach. Einsteiger setzen zu Beginn einzig auf die ausgeglichenen Modi Brawler bzw. Thug und kommen mit der einfachen Steuerung aus Quadrat für Schläge/Tritte und Dreiecke für kontextsensitive Angriffe gut zurecht. Diese sogenannten “Heat”-Manöver zählen neben den Kampfstilen zu den Eckpfeilern des Kampfsystems. Kiryu und Majima können durch Treffer eine spezielle Leiste, die sich in Yakuza 0 über drei Zeilen erstreckt, aufladen. Habt ihr eine, zwei oder gar alle drei Balken gefüllt, dürft ihr unterschiedliche meist sehr explizit dargestellte Badass-Attacken vom Stapel lassen, etwa ein Möbelstück auf den Gegner werfen und anschließend drauf hüpfen, einen Bodyslam auf einen Yakuza vollführen oder mit ihm den dreckigen Boden Kamurochos bzw. Sotenboris zu reinigen.

Im Menüpunkt “Abilities” könnt ihr euch in jedem der sechs Kampfstile verbessern und neue Kombos freischalten, eure Maximalgesundheit erweitern oder eure Heat schneller regenerieren. Hierfür gebt ihr Geld aus, das ihr in Yakuza 0 besonders in den Story-Missionen massenhaft erhaltet. Das ist auch bitter nötig, denn die Angriffe schlagen später mit rund 50.000 Yen das Stück (ca. 380 Euro) zu Buche. Geschenkt bekommt ihr in Yakuza 0 nichts, alles hat seinen Preis. Die Radial-Bäume der Fertigkeiten erlauben es dem Spieler, sich in unterschiedliche Richtungen zu skillen. Die Masse an Moves erlaubt es dem Spieler, seine eigenen Kampftechniken zu finden und sie motiviert bis zum Ende hin, durch Missionen und Minigames stets neues Geld in die Kassen zu spülen, um die Kämpfe mit neuen Fertigkeiten aufzupeppen.

Nachholbedarf besteht bei SEGA die Master-Level zu erklären. Die besten Attacken des Spiels können wir nicht freischalten, da sie hinter Master-Symbolen verschlossen sind. Erst durch die Netzrecherche entdecken wir nach Vollendung des Spiels, dass wir bei bestimmten Trainern diese freischalten hätten können. Das Spiel bietet eine Reihe an Trainern, bei denen ihr etwa Majimas Waffenskills mit den skurrilsten japanischen Nahkampfwaffen schärfen oder Kiryus Ausweichtechniken verbessern könnt.

Während sich die Künstliche Intelligenz bei den Zufallskämpfen in Grenzen hält, müssen wir in den epischen Bosskämpfen die unterschiedlichen Kampfstile und die damit verbundenen Kombos mit Bedacht einsetzen, um die Schwachstellen der Clan-Führer auszunutzen.

Abseits der Story erkunden ihr zwei Städte, stellt euch diversen Kämpfen mit Betrunkenen und Ganoven und vergnügt euch in zahlreichen Mini-Spielen.

Macht Kiryu wie eingangs erwähnt Kamurocho unsicher, so ist Majima in Sotenbori unterwegs. Beide Städte haben zwar gemein, dass sich Lokalitäten wie Supermärkte oder Tempel doppeln, sie haben allerdings ein einzigartiges Flair. Kamurocho ist das Vergnügungsviertel Tokios, in dem eine Neon-Reklame opulenter gestaltet ist als die andere und das vor allem nachts zu seinem Glanz erstrahlt. Tagsüber lungern Betrunkene, Studenten und schäbige Geschäftsmännern in den dreckigen Straßen herum. Serienanhänger kennen das grundlegende Layout der Stadt bereits, doch da das Spiel knapp 20 Jahre vor dem ersten Teil ansetzt, sind viele der bekannten Geschäfte noch im Aufbau. Spielhallen boomen gerade und so begrüßt uns statt dem “Club SEGA” das “SEGA Hi-Tech Land”. Beide Arcade-Ketten basieren, wie ein Großteil aller Marken in Yakuza, auf ihren realen Ebenbildern, ohne Fantasienamen wie in GTA. Zu den Minigames zählen SEGA-Klassiker wie Out Run, Super Hang-On, Space Harrier und Fantasy Zone, zudem dürft ihr Immobilien kaufen und verwalten, Slotcar-Rennen bestreiten, Karaoke singen, und Baseball spielen.

Als Majima stehen in Sotenbori auch interessante Aufgaben zur Verfügung. Für seinen Kabarett-Club “Grand” wirbt er in lustigen Dialogen auf den Straßen des Stadtteils Osakas neue Hostessen an, gestaltet deren Aussehen im Club nach Belieben und verwaltet für mehrere Minuten dann die unterschiedlichen Ecken des Clubs. Dabei ist auf die Präferenzen des Kunden zu achten und Streithähne sind entweder zu besänftigen oder rauszuschmeißen. Frauen-Wrestling ist ein weiteres Minispiel in Yakuza 0. Diese Kämpfe dürfen wir nur indirekt beeinflussen und erinnern uns an Rumble Roses. Wer selbst in den Ring steigen möchte, besucht das Untergrund-Kolosseum und tritt gegen über ein Dutzend individuelle Kämpfer an. Hinzu kommen obligatorische Minigames wie Darts und Billard.

Yakuza 0 bietet nicht nur eine riesige Auswahl an Minispielen, sie sind qualitativ auch so hochwertig, dass sie als eigene Spin-offs veröffentlicht werden könnten. Eine Auswahl davon wie Tanzen und Bowlen können auch im lokalen Zwei-Spieler-Modus gespielt werden. Online dürft ihr euch in Poker und Mahjongg miteinander messen. Eine Einladungsfunktion gibt’s nicht, dafür gibt’s für alle Disziplinen Online-Ranglisten.

Hinzu kommen zahlreiche Substories. Das sind Nebenaufgaben, die von “direkt aus dem Leben” zu äußerst bizarr und enorm fragwürdig reichen. Wir dürfen etwa als Majima den Freund einer fremden Frau beim Abendessen mit dem vermeintlichen Schwiegervater mimen. Oder wir geleiten eine lebendige Statue heimlich zum stillen Örtchen. An anderer Stelle helfen wir einem Jungen dazu ein Spiel auf einer Super Nintendo-artigen Cartridge zurückzubekommen oder verhelfen einem Teenager mit viel Missmut zu seinem ersten Schmuddelheftchen.

Technik

SEGA verbessert die Technik der Serie kontinuierlich und zaubert mit Yakuza 0 die bislang hübschesten Bilder der Franchise auf die Mattscheibe. Kamurocho ist wesentlich belebter als in den PS3-Spielen, es wandern allerlei Passanten durch die besonders nachts glitzernden von Neon-Schildern beleuchteten Straßen, während sich in Seitenstraßen Müllsäcke stapeln und Dampf aus den zahlreichen Imbissen steigt. Auch die Spielermodelle sind detaillierter, Kantenglättung sorgt für weniger Flimmern und die Weitsicht steigert das Antlitz der Umgebungen.

Die Ladezeiten sind wesentlich geringer als auf den vergangenen Konsolengenerationen, die Wartezeit zwischen dem Umherlaufen und dem Eintauchen in den Kampf beträgt nur wenige Augenblicke. Nach wie vor krankt auch der aktuelle Teil an technischen Limitierungen des technischen Grundgerüsts. So gibt es weiterhin unsichtbare Wände, die die Spielwelt begrenzen, besiegte Schurken lösen zusehends in Luft auf und lassen Waffen in unzugänglichen Bereichen auf (Clipping-Fehler, juhey!).

Yakuza 0 im Let’s Play von Anfang bis Ende

Fazit

Yakuza 0 ist der ideale Einstiegspunkt in die mittlerweile 12 Jahre alte Serie. Der Teil baut die Stärken der Vorgänger gekonnt aus, dazu zählen die famosen Kämpfe, die packende emotionale Geschichte und die zahlreichen ausgefeilten Nebenaktivitäten. Es besteht aber weiterhin Verbesserungsbedarf, was die technische Seite betrifft. Selten ist ein Videospiel gleichzeitig unterhaltsamer und lehrreicher bzgl. japanischer Kultur und Historie, als Yakuza 0. Ob Fan der Serie oder kompletter Neuling, wir können euch das Spiel nur an’s Herzen legen, solltet ihr eine PlayStation 4 besitzen.

Wir haben die Bilder anhand der getesteten PlayStation 4-Version gefertigt.

One comment
  1. Exxoz Zockt

    Jaja… eine doch mitlerweile recht erwachsen gewordene Serie… Oft schon viel drüber gelesen, gesehen und gehört. Aber als PC Spieler bis dato nicht selber in berührung gekommen 🙂 Wie schön auch wenn in Spielen “Minigames” mit eingebaut werden. Dieses Konzept fand ich damals bei Systemshock schon toll. Hoffe mal das es in dieser Richtung noch mehr geben wird an Umsetzungen. Danke dann nochmals für diesen Artikel 🙂

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