Die Lebenssimulation Closer the Distance versetzt euch in die Kleinstadt Yesterby, in der ein tragischer Todesfall den Zusammenhalt auf die Probe stellt.
Closer the Distance wurde von dem Hamburger Studio Osmotic Studios (Orwell-Serie) entwickelt und wird morgen von Skybound Games für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S veröffentlicht.
Angela ist das Herz der Kleinstadt Yesterby. Zu Beginn des Spiels stirbt sie auf tragische Weise, doch ihr Geist bleib bestehen. In den Wochen nach Angelas Tod begleiten wir die Bewohnerinnen und Bewohner des Küstenortes, darunter etwa Angelas Schwester Connie, die mit Routine, Alleinsein und Harmonie ihre Trauer versucht zu bewältigen. Zek, der Sohn des örtlichen Schreiners, sucht hingegen nach Zugehörigkeit und macht sich daran eine Skulptur für Angelas Grab anzufertigen. River ist die Tochter von Jasper, der den Ort von der letzten verbliebenen Einwohnerin des einstigen Yesterbys gekauft hat und es mit dem Bau des umstrittenen Bootshauses in einen Touristenmagnet verwandeln will. Ihr sind Relevanz und Anerkennung wichtig. Galya ist die einzige Ärztin in dem verschlafenen Nest und lebt zusammen mit ihrer Partnerin Leigh und deren Sohn Bodhi.
Jede Figur hat eigene Wünsche und Bedürfnisse, die ihr in Sims-Manier befriedigen könnt. Passenderweise wird Closer the Distance aus der Vogelperspektive dargestellt. Anders als in traditionellen Adventures sammelt ihr nicht Aufgaben von speziellen Questgebern, sie werden von den Figuren selbst generiert. Dabei müsst ihr nicht nur gutes Zeit-Management betreiben, sondern auch die für euch wichtigen Prioritäten setzen. Leigh und Bodhi verlassen Yesterby, wenn Galya sich nicht gut genug um sie kümmert. Zek steht ebenfalls kurz davor auszuziehen. Eure Entscheidungen wirken sich spürbar auf den Spielverlauf aus. Wir können frei zwischen den gerade verfügbaren Charakteren, bis zu fünf, wechseln. Bevor ein wichtiges Ereignis, meist Dialoge, anstehen, pausiert das Spiel und wir können dorthin wechseln. Glücklicherweise warten die Charaktere eine gewisse Zeit auf euch, da besonders im späteren Verlauf viele Ereignisse gleichzeitig passieren, trotzdem hat man des Öfteren das Gefühl etwas zu verpassen, wenn das rote Ausrufezeichen plötzlich wieder vom unteren Bildschirmrand verschwindet. Interessanterweise werden mehrere Ereignisse, sobald ihr sie im Blickfeld habt, gleichzeitig abgespielt, was leider nicht immer ganz zusammenpasst. Es entsteht ein gewisser Die Siedler-Effekt, da wir auch die nicht-spielbaren Charaktere beobachten und deren nicht unerheblichen Gesprächen lauschen, soweit es zeitlich möglich ist.
Closer the Distance erzählt so auf unkonventionelle Weise seine Geschichte und jeder Spielende hat einen individuellen Verlauf. Die emotionalen Momente mit Connys Eltern werden von zahlreichen Fetch-Quests wie Unkrautjäten am Friedhof und der Instandsetzung des örtlichen Glaubenshauses oder einer buchstäblichen Schnitzeljagd begleitet. Die einzelnen Tage werden von Erinnerungen an die Zeit vor Angelas Ableben miteinander verbunden. Die im Deutschen top vertonten Dialoge sind von schwankender Qualität zwischen tiefgründiger Trauerbewältigung bis hin zu oberflächlichen Bekundungen der eigenen Gefühlswelt. Der Gitarren-lastige Soundtrack sorgt für den ein oder anderen Gänsehautmoment – wenn man ihn nicht verpasst, denn ja, der Gitarrenspieler will im richtigen Moment manuell angewählt werden. Bei dem Erfüllen der aufeinander aufbauenden Quests sind wir immer wieder auf die Problematik gestoßen, dass wir eines Nachts die Kontrolle über einen Charakter verloren haben und so seine Quest-Reihe nicht vollenden konnten. So nahm das Spiel einen gänzlich anderen Verlauf, als wir beabsichtigt haben und auch mit einem weiteren Tag mit der Figur erreicht hätten. Auch aus diesem Grund lohnt ein erneuter Durchlauf des rund zehn-stündigen Spiels, allerdings in diesem Fall etwas unfreiwillig.
Auch wenn das Interface klar für den PC ausgelegt zu sein scheint, lässt sich das Spiel gut mit einem Controller durchspielen. Eine Switch-Version wäre aufgrund des kleinteiligen Interfaces möglicherweise eine Herausforderung, würde aber aufgrund des entspannten Spieltempos durchaus Sinn ergeben. Auch grafisch sollte die 7 Jahre alte Konsole nicht vor allzu große Herausforderungen gestellt werden, denn Closer the Distance setzt auf einen Low-Poly-Look, der charmant anzusehen ist, die Emotionen der Charaktere rein visuell aber etwas ungenügend vermittelt.
Fazit
Closer the Distance ist eine gelungene Lebenssimulation, die das schwerwiegende Thema Trauberbewältigung größtenteils mit dem nötigen Fingerspitzengefühl behandelt. Die Charaktere haben allesamt individuelle Persönlichkeiten und deren Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen kann aufgrund der kurzen Tage auch für Multi-Tasking-Profis eine echte Herausforderung sein. Während die Übergänge zwischen den spielbaren Figuren zu ein paar Frustmomenten führen, da man die Questreihe, an der man lange arbeitet, plötzlich verpufft, etwas unglücklich gestaltet wurden, motivieren die punktuell gesetzten emotionalen Momente und das Ziel, die Bevölkerung wieder näher zusammenzubringen, zum Weiterspielen. Mögt ihr unkonventionelle Spielkonzepte oder haben euch Spiele wie Gerda: A Flame in Winter oder Spiritfarer gefallen, solltet ihr Closer the Distance in jedem Fall eine Chance geben.
Skybound Games hat uns eine PC-Version von Closer the Distance zur Verfügung gestellt, mit der wir die Screenshots angefertigt haben.