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Im Test: Virginia – Infernaler Agententhriller

Virginia ist das Erstlingswerk des britischen Studios Variable State und versucht einmal mehr den Spagat zwischen Film und Spiel in Form eines First-Person-Thrillers.

Es ist Sommer 1992 und das US-amerikanische Federal Bureau of Investigations (FBI) führt eine Operation in der beschaulichen Kleinstadt Kingdom im Bundesstaat Virginia durch. Ihr seid mit den Agenten Anne Tarver und Maria Halperin an der Speerspitze davon und erlebt eine Woche in deren facettenreichen intensiven Arbeitsalltag – vom Stake-out bis zum Steak-in.

Virginia

Welcome to Kingdom, Virginia

Virginia ist ein filmisch inszeniertes Abenteuer. Das wird bereits in der Intro-Sequenz klar, als weiß und rot gefärbte Credits euch gemeinsam mit Synthie-Musik versuchen in die richtige Stimmung für den First-Person-Thriller zu bringen. Ahnungslos werden wir in die Rolle von Anne geworfen, wandern durch verlassene Gänge und stellen uns hinter einer Reihe gut gekleideter junger Leute an, um sodann in feierlicher Zeremonie unsere Dienstmarke auf einer Bühne vom Direktor persönlich überreicht zu bekommen.

In den ersten Augenblicken des Spiels werden direkt die Grundelemente etabliert: Kurze Interaktionen und Jump Cuts. Immer wieder ändert sich, während wir denken Kontrolle über die Hauptfigur zu haben, in neue Szenen katapultiert. Im Kellerbüro treffen wir auf Maria Halperin, die uns für den Rest der Ermittlungen begleiten wird. Ein Teenager ist verschwunden und wir machen uns auf die Suche nach seinem Verbleib.

[quote]Diane! I’m holding in my hand a small box of chocolate bunnies.[/quote]

Virginia

Welcome to Kingdom, Virginia

Trotz der unvermittelten direkten Art des Schnitts, der Kameraperspektiven und der Interaktion, setzt man nicht etwa auf einen fotorealistischen Look, sondern auf einen Low Poly-Stil, etwa wie Thirty Flights of Loving (XTgamer-Test). Das Blendo Game war eine der größten Inspirationen für das Spiel, wie die Entwickler im Abspann angeben. Parallelen zu filmischen Werken von David Lynch, Memento und Fargo sind nicht von der Hand zu weisen.

So besuchen wir etwa gleich zu Beginn das örtliche Diner und genehmigen uns einen Kaffee (übrigens ohne F und K darin zu finden), später besuchen wir das örtliche Polizeirevier und auch eine “Roadhouse” genannte Dorfdisco, in der vor rotem Velvet-Vorhang ein gefährlich an das Twin Peaks-Theme erinnerndes Lied namens “Sojourner’s Truth” gespielt wird. Da ist es wohl kein Zufall, dass der fantastische von Lyndon Holland komponierte Soundtrack vom gleichen Orchester eingespielt wurde, wie die musikalischen Untermalungen zu Mulholand Drive und Lost Highway.

[quote]Nothing beats the taste sensation when maple syrup collides with ham.[/quote]

Virginia

Ausgeklügelter Kurztrip

Ausgeklügelte Detektivarbeit wie Spurensuche oder Zeugeneinvernahme dürft ihr indessen nicht erwarten. Bei Virginia konzentriert sich der Entwickler innerhalb von rund zwei Stunden eine wendungsreiche Geschichte zu erzählen, die unter die Haut geht und den Spieler anhält, nicht alles was er sieht für bare Münze zu nehmen – ein Psycho-Thriller wie er im Buche steht? Der Spieler wird beim ersten Durchlauf sicher einiges verpassen und ganz schön verwirrt, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass das Spiel völlig ohne Sprachausgabe auskommt. Das macht das Spiel aber auch so interessant. Die Szenen sind unterschiedlich deutbar und regen zu Diskussionen an.

Das Spiel ist in sechs Tage unterteilt, die von Albtraumsequenzen verbunden werden, welche essentielle Story-Hinweise geben und deshalb von uns nicht weiter erläutert werden. Virginia schockiert nicht auf plakative Weise, es erzählt eine ruhige Geschichte und setzt punktuell Akzente. Der Spannungsbogen endet in einem fulminanten Finale, das einerseits für Aufklärung sorgt, andererseits viele Spieler ratlos zurücklassen wird. Wenn Fiktion auf Übernatürliches trifft, mag der Geist etwas überfordert werden.

[quote]You’re always trying to fix everything. But sometimes, nothing’s broken.[/quote]

Virginia

Das gesamte Spiel im Let’s Play ohne Geschnatter

Fazit

Virginia ist ein toll inszenierter spannender intelligenter First-Person-Thriller, von dem wir gerne jedes Detail aufgesaugt haben. Jeder Schnitt überrascht, genau wie die Unvermitteltheit der Inszenierung.  Die Interaktion hingegen lässt Telltale-Spiele als Gameplay-Wunder erscheinen und wirft einmal mehr die Frage auf, wieviel Spiel eigentlich in so einem Game stecken sollte. Lässt man sich darauf ein und folgt der Handlung in jeder Sekunde, so entfaltet Virginia seine Wirkung. Steigt man inmitten des Spiels geistig aus, wie es wohl so einigen Kritikern erging, bleibt nicht viel als eine Abfolge linearer Ereignisse ohne Entscheidungsfreiheit. Sieht man die Geschichte als Ganzes, ist die lineare Struktur sinnig und von Entscheidungen, die am Ende getroffen werden, werden wir in den Nachfolgern nur sowieso wieder enttäuscht (I’m looking at you, Eidos Montreal.), dann kann auch wie hier darauf verzichten. Wir würden uns freuen, tiefer in die Welt von Virginia eintauchen zu können und weiter Fälle mit den Agenten Halperin/Tarver zu knacken.

[quote]Memory can change the shape of a room; it can change the color of a car. And memories can be distorted. They’re just an interpretation, they’re not a record, and they’re irrelevant if you have the facts.[/quote]

Virginia Virginia Virginia

Virginia
Genre: Action-Adventure
Syteme: PS4 (getestet), Xbox One, PC/Mac
Preis: ca. 10 Euro
Entwickler: Variable State (Erstlingswerk)
Publisher: 505 Games

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