Lost Records: Bloom & Rage versetzt uns nach Velvet Cove in Michigan in die Jahre 1995 und 2022, als eine Clique ein dunkles Geheimnis behütet.
Don’t Nod Montréal arbeitet mit mehreren Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dem Coming of Age-Drama Lost Records: Bloom & Rage, welches in zwei Tapes am 18. Februar und 18. März 2025 für PC (getestet), PlayStation 5 und Xbox Series X|S erscheinen soll. Viele der Entwickelnden haben zuvor an Life Is Strange und Life Is Strange 2 gearbeitet. Die Fortführung der Serie ging dann von Seiten Square Enix‘ an Deck Nine Games über und der aktuelle Teil Double Exposure, in dem Max Caulfield aus Don’t Nods Life Is Strange zurückkehrt, wird am 15. Oktober diesen Jahres erscheinen.
Es ist Sommer 1995 und wir befinden uns in Velvet Cove, einem kleinen Örtchen im US-Bundesstaat Michigan. Swann Holloway ist neu hinzugezogen und versucht sich der Band Bloom & Rage anzuschließen, die aus den Freundinnen Kat, Autumn und Nora besteht. Im Gespräch mit Creative Director Michel Koch, Producerin Cathy Vincelli und dem Studio Executive Producer Luc Baghadoust stellt sich heraus, dass es Don’t Nod wichtig war zwar Archetypen, aber keine Stereotypen zu verwenden und die Figuren dann menschlich zu machen und einen ganz eigenen Charakter zu verleihen. Eine breiter Schnitt durch der Gesellschaft soll repräsentiert werden. Autumn mimt beispielsweise die reflektierte Anführerin, während Nora das rebellische Goth-Girl und Kat sich eher in Zurückhaltung übt, in manchen Situationen offenbart sich allerdings die Willensstärke von Kat.
Wir beginnen im Zimmer von Swann kurz vor ihrem Umzug. Alles ist in authentischer 90er-Ästhetik gehalten: vom Camcorder, der gerade über den Videorekorder überspielt, über die nicht zurückgegebenen VHS-Tapes bis hin zu Troll-Puppen. Don’t Nod will hier besonders akkurat sein, verrät uns Producerin Cathy Vincelli, und nutzt den Input der divers aufgestellten Belegschaft, sowohl den Figuren als auch der Umgebung Leben einzuhauchen. Apropos Camcorder: Wir können unsere Katze, die wir offenbar vor dieser Szene auch selbst benennen können werden, dabei filmen wie sie einen Vogel am Fenster beobachtet oder aber unser reichhaltig ausgestattetes Zimmer abfilmen, um später nostalgisch darauf zurückblicken zu können. Die Aufnahmen können wir später schneiden und dem inneren Monolog Swanns zu den Szenen lauschen.
Die Clique trifft sich zum Musizieren, dabei können wir eine Drum Machine dazu verwenden einen Beat einzuspielen, der im Verlauf des Spiels noch wichtig sein wird. Auch hier ist alles voll mit 90er-Ästhetik, etwa eine dem Super Nintendo sehr ähnlichen Spielkonsole und Modulen, in denen man tatsächlich pusten kann. Später erkunden wir den nahe gelegenen Wald und interagieren dabei immer wieder mit den anderen Mädchen und lichten sie für das erste Musikvideo von Bloom & Rage ab, etwa Autumn als sie ein Rad schlägt oder Nora beim in die Luft pusten von Rauchringen. Ähnlich wie in Life Is Strange sollen unsere Dialogentscheidungen wichtig für den Verlauf der Story sein. Die Figuren reagieren auf unsere Entscheidungen. Wie genau sich unsere Entscheidungen auf den gesamten Storyverlauf auswirken werden, wollte man uns aus Spoilergründen nicht verraten. Auch das Übernatürliche spielt eine Rolle, schließlich endet unsere spielbare Version in einem Cliffhanger: Die Mädchen sehen sich ihr fertiges Musikvideo an und plötzlich geht das Licht aus und eine unheimliche Atmosphäre macht sich im Raum breit.
Zwischendurch versetzt uns das Spiel immer wieder in die vermeintliche Gegenwart, genauer in das Jahr 2022. Autumn und Swann treffen sich in einem typischen US-amerikanischen Diner mit Ledergarnitur und Cherry Pie. Autumn, die jetzt als Sozialarbeiterin tätig ist, hat ein mysteriöses Paket mit Bezug zu ihrer Jugendband Bloom & Rage erhalten. Die Entscheidungen in beiden Epochen sollen sich jeweils auf die andere Zeitlinie auswirken, ein freier Wechsel zwischen den Zeiten ist nicht vorgesehen.
Wir haben rund eine Stunde mit der Vorabversion verbracht, die circa 30 bis 40 Prozent der Länge des ersten von zwei Tapes entsprechen soll, weshalb wir von einer Gesamtspielzeit von circa sechs Stunden oder mehr je nach Spielstil ausgehen. Man hat sich übrigens für die Veröffentlichung des Spiels in zwei Teilen entschieden, damit das Spiel nicht wie viele Streaming-Serien in einem Rutsch durchgebingt und möglicherweise rasch wieder vergessen wird, sondern länger im Gedächtnis bleibt. Dies habe sich, so Creative Director Michel Koch, bei den vorhergehenden Titeln Don’t Nods bestätigt.
Auch grafisch erinnert Lost Records nicht von ungefähr an vergangene Titel wie Life Is Strange, schließlich war Michel Koch daran als Art Director maßgeblich für den Comic-haften farbenfrohen Look des beliebten Teenie-Dramas beteiligt. Während die in unserer Version verfügbare englische Synchronisation durch die Bank überzeugt, können die Gesichtsanimationen diese Emotionen häufig nicht transportieren. Das ging uns auch in Life Is Strange so, doch Don’t Nod arbeitet hier noch dran. Technisch haben wir mit der Vorabversion trotz einer hochwertigen Hardware-Ausstattung etwas mit Rucklern zu kämpfen gehabt, das mag sich bis zur Veröffentlichung in sechs Monaten allerdings noch ändern.
Musikalisch setzt man auf eine Mischung aus lizenzierten Songs und eigens für das Spiel komponierter Musik. Für die Erzählung der Geschichte wichtige Lieder wurden beispielsweise mit der Sängerin Ruth Radelet geschrieben, ebenso sind Adam Miller und Nat Walker (früher: Chromatics) an der musikalischen Komposition die wir bereits im Low fi Summer-Trailer hören konnten, beteiligt. Das Ergebnis ist ein softer rhythmischer Synth-Pop-Soundtrack, der gut in die gezeigte Ära passt und sowohl das Menü, welches wie in Life Is Strange die aktuelle Progression im Spiel darzustellen scheint, als auch das Gameplay begleitet. Don’t Nod legt auch bei den Soundeffekten hohen Wert auf Authentizität und hat beispielsweise das Zusammenfalten der Schachteln von VHS-Kasetten extra aufgenommen.
Vorabfazit
Lost Records: Bloom & Rage macht als narratives Erlebnis bereits einen guten Eindruck und scheint mehr Freiheit in den Dialogen und spielerische Elemente zu enthalten als die bisherigen Spiele des Studios Don’t Nod. Mit Lost Records will man eine ähnlich dichte von 90er-Ästhetik geprägte Atmosphäre schaffen wie es der Netflix-Serie Stranger Things mit den 80ern gelungen ist. Bislang scheint das zu gelingen, es bleibt allerdings abzuwarten wie sich beide Zeitlinien zueinander verhalten und ob das dunkle Geheimnis, das in Velvet Cove ausgegraben wird, die Spielenden bei der Stange hält.