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Im Test: Dustborn

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In Dustborn gehen wir mit einer frisch gegründeten Band auf einen übernatürlichen Roadtrip quer durch Nordamerika.

Wir schreiben das Jahr 2030. Die Welt ist bevölkert von Menschen mit übernatürlichen stimmlichen Fähigkeiten, sogenannten Vox. Die Protagonistin Pax bekommt eines Tages den Auftrag einen USB-Stick, auf dem sich wichtige geheime Daten befinden, von der US-Westküste nach Nova Scotia in Kanada zu bringen. Pax ist ein Waisenkind und musste im Teenager-Alter aus dem wohl behüteten Zuhause nach Pacifica fliehen, einer futuristischen Version von Kalifornien. In der Geschichtsschreibung des Action-Adventures wurde US-Präsident John F. Kennedy nie ermordet, sondern seine Frau Jackie. Marilyn Monroe wurde die neue First Lady und ist mit 104 Jahren weiterhin im Leben. Pax schließt sich mit dem Gitarre spielenden ehemaligen Software-Ingenieur und Agenten Theo, dem willensstarken humorvollen Kraftprotz Sai und der klugen halb mechanischen Redekünstlerin Noam zusammen. Als Deckmantel nutzt die Gruppe die Indie-Band The Dust Born und tourt fortan durch die Republik. Während sie in Pacifica von Puritanern verfolgt werden, sind sie in der Republik ständigen Sicherheitskontrollen ausgesetzt, schließlich hat in diesem Polizeistaat Justice das Sagen.

Auf ihrer Reise treffen sie zahlreiche Charaktere, die sich ihnen auch teilweise anschließen, etwa Pax’ Schwester und Ex-Anarchoprimitivistin Ziggy oder das ehemalige Mitglied der Biker-Gang Horned Riders Eli. Sie haben alle eines gemein – sie sind Anomals (also Mutanten), von manchen auch abschätzig Deviants (Abtrünnige) genannt. Gerade in der ersten Spielhälfte erfahren wir eine Menge über die Hintergründe und Motivationen der einzelnen Figuren, indem wir etwa den Gesprächen am Lagerfeuer oder im Tourbus, der von dem liebenswerten Roboter Caretaker (CT) gefahren wird, lauschen. Im Laufe des Spiels schließen sich allerdings so viele Charaktere eurer Gruppe an, dass es etwas unübersichtlich wird. Dustborn besteht größtenteils aus Dialogen, die wir beeinflussen können, und all eure Entscheidungen sollen zu unterschiedlichen Enden führen. Jeder Charaktere hat unterschiedliche Persönlichkeiten, die ihr durch eure Aktionen beeinflussen könnt, was durch Einblendungen visualisiert wird. In unserem rund 20-stündigen Durchlauf haben sich Justice-Mitarbeitende an unsere vorhergehende Taten erinnert und uns dadurch verdächtigt. Behutsames Vorgehen zahlt sich also ein ums andere Mal aus. Wer dem anderen nicht direkt ins Wort fällt, erhält manchmal zusätzliche Gesprächsoptionen, um den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken.

Brücken bauen ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch Dustborn zieht. Überall treffen wir verwirrte Menschen, die hasserfüllt reagieren. Pax besitzt einen 90er-Handheld, der nie wirklich den Markt erobert hat, das ME-EM. Mit ihm kann sie Echoes aufspüren und im Ghostbusters-Stil einfangen. Hierbei handelt es sich um hasserfüllte Botschaften, die einst über den Kontinent verbreitet wurden und in den Köpfen steckengeblieben sind. Habt ihr genügend davon gesammelt, könnt ihr eure Kampffähigkeiten verbessern, denn sobald alle Dialog-Stricke reißen, wendet Pax gegenüber Justice, Puritanern und Bikern auch rohe Gewalt an. Dabei greift sie auf ihren Baseball-Schläger zurück, den sie auch werfen und damit fliegende Drohnen und später ganze Gegnergruppen bearbeiten kann. Ihre zahlreichen Vox-Fähigkeiten kann sie einsetzen, um Feinde zurückzudrängen, gegeneinander aufzuwiegeln oder zu lähmen. Taunts lassen euch stärker zuschlagen, Blocken und Rollen stehen zur Verteidigung zur Verfügung und die Tag-Team-Angriffe sind hübsch inszeniert. Die Kämpfe sind viel zu einfach und der Einsatz von Pax’ Schreien ist meist gar nicht erforderlich. Einzelne Bosskämpfe sind interessant gestaltet, insgesamt sind die Kämpfe ohne großen Tiefgang und die Häufigkeit der Auseinandersetzungen lässt sich zu Beginn des Spiels anpassen.

Außerhalb von Kämpfen und Dialogen können wir uns auch in Maßen frei bewegen. So erkunden wir ein verlassenes Einkaufszentrum, das ehemalige Zuhause von Pax und Ziggy, einen Trailer Park mit einem düsterem Geheimnis und einzelne Stadteile der Metropolen, die wir auf unserer Reise besuchen. Die Umgebungen sind allesamt schön gestaltet und voller Details. Insbesondere im Kontext der Geschichte ist es spannend, etwa die Roboterfabrik, aus der CT kommt, zu besuchen. Euren Entdeckerdrang wird das Spiel allerdings nicht vollends befriedigen, es ist schließlich auch kein Open-World-Spiel wie Red Dead Redemption II. Ein Element wurde von Rockstars Western-Epos allerdings übernommen – die entspannten Gespräche am Lagerfeuer. Am Ende jedes Tages lassen wir die Ereignisse in Dialogen Revue passieren, machen den Gruppenmitgliedern Geschenke und erfahren eine Menge über die Hintergründe der einzelnen Figuren. Die Tatsache, dass die Unterhaltungen der Nicht-Spieler-Charaktere allerdings durch nahezu jeder unserer Aktionen kurzzeitig unterbrochen und dann von Neuem beginnen, reißt uns allerdings etwas aus der sonst so dichten Stimmung des Spiels. Dafür sorgen auch Nebenstränge, wie das tragische Schicksal eines verlassenen Supermarkt-Roboters oder die düsteren Geheimnisse, die durch das Erkunden eines Fallout-artigen Vaults gelüftet werden.

Für die tolle Atmosphäre sind die gut geschriebenen Dialoge und die großartige englische Synchronisation verantwortlich. Andere Sprachfassungen sind nicht vorhanden, allerdings wurden die Texte gut ins Deutsche übersetzt. In der Qualität des Skripts gibt es auch Schwankungen und ein paar Logiklöcher, insgesamt erzählt das Spiel allerdings eine spannende Geschichte, die bis zum Ende motivieren kann dranzubleiben. Grafisch setzt Red Thread Games auf einen Comic-haften Look mit hübschen Charakteren und Hintergründen, aber teilweise unsauberen Animationen und Clipping-Fehlern. Die gelungene Comic-Ästhetik wird durch viele Einblendungen und ein buchstäbliches Comic-Buch, in dem die Ereignisse jedes der zehn Kapitel aufgegriffen werden, verstärkt. Die Musikuntermalung aus der Feder von Simon Poole unterstützt den Roadtrip mit treibender Elektro-Musik in Bosskämpfen und die Symphonien des Prager Philharmonie-Orchester sorgt für Gänsehautmomente in bestimmten Story-Momenten. Die Auftritte von The Dust Born spielt ihr selbst in Rhythmus-Minispielen, die für Genre-Kenner nicht sonderlich herausfordernd sind. Während die vier Rock-Songs textlich gut in die Geschichte passen, überzeugen sie musikalisch nicht hundertprozentig. Diesen Umstand kann man allerdings damit begründen, dass es sich um eine aufstrebende junge Band, die nur zum Schein existiert, handelt.

Fazit

Dustborn ist ein narratives Action-Adventure mit vielen spannenden Ansätzen. Während das Setting eines Roadtrips durch ein autoritäres Regime etwa in Road 96 bereits abgebildet wurde, geht hier Dustborn einen etwas anderen Weg und inkludiert auch Kämpfe, die kaum Herausforderung bieten und sich nach einer Weile zu gleichförmig anfühlen. Lediglich die Bosskämpfe bringen hier teils etwas frischen Wind rein. Die Vox-Fähigkeiten sind in den Kämpfen nahezu überflüssig und können in Dialogen teilweise übermäßig eingesetzt werden, was Pax als Hauptcharakter zu einem manipulierenden Schreihals und recht unsympathisch wirken lassen kann.

Das Spiel spricht viele Themen unserer Zeit an, etwa Hass im Netz, mentale Gesundheit, Diversität und sozialer Frieden und beweist dabei größtenteils das nötige Fingerspitzengefühl, ist allerdings ein ums andere Mal zu plakativ. Trotz der ernsten Thematik, wird das Geschehen immer wieder humorvoll aufgelockert. Viele vergleichbare Spiele lassen es vermissen, dass eure Handlungen wirklich Auswirkungen auf die Spielwelt haben und in Zügen haben wir es hier zumindest erlebt, dass die Charaktere sich unsere Aktionen merken und darauf reagieren. Das Sammeln von Echoes mit dem ME-EM, ein kurzzeitig einsetzendes rundenbasiertes Rollenspiel-System und Arcade-Automaten sorgen für spielerische Abwechslung in dem sonst dialoggetriebenen Spiel. Wir können Dustborn denjenigen ans Herzen legen, die gerne narrative Games wie Road 96, Tales from the Borderlands oder die Spiele von Quantic Dream, die hier als Publisher fungieren, spielen.

 

Quantic Dream hat uns die PC-Version von Dustborn, mit der wir die Screenshots aufgenommen haben, zur Verfügung gestellt.