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30 Jahre nach dem tödlichen Unfall des dreimaligen Formel 1-Weltmeisters Ayrton Senna veröffentlicht Netflix eine 6-teilige Drama-Serie über den Ausnahmepiloten.
Senna wird ab dem 29. November auf Netflix verfügbar sein. Die Serie erzählt die Geschichte des brasilianischen Rennfahrers (Gabriel Leone) von seiner Kindheit in der Autowerkstatt seines Vaters Milton da Silva (Marco Ricca) in São Paulo über seine Karting-Zeit, die ihn 1979 ins portugiesische Estoril führte, wo er sieben Jahre später seinen ersten Sieg in der Formel 1 gewann, seine drei Weltmeistertitel in der Königsklasse des Motorsports bis hin zu seinem tragischen Unfall im italienischen Imola im Mai 1994. Der ehrgeizige Senna – oder Beco, wie ihr von seinem Umfeld genannt wird – gibt alles für seinen Erfolg im Motorsport, egal ob auf der Strecke oder abseits davon. Das sollte ihn später zu unglaublichen Erfolgen führen, doch die Reise dahin war steinig.
Schon früh erkennt die Familie sein Talent hinter dem Lenkrad und so baut ihm sein Vater ein Go-Kart mit dem Motor eines Rasenmähers. Nur ein Jahr nachdem er nach Europa übersiedelte, um in höhere Klassen aufzusteigen, gewinnt er 1979 beinahe die Kart-Weltmeisterschaft, verliert sie aber am grünen Tisch an den punktgleichen Team-Kollegen Peter Koene. Die gemeinsame Zeit mit Teamkollege Terry Fullerton (Rob Compton) wird Senna später als seine liebste Erinnerung an den Motorsport nennen. In der Formel Ford gewinnt Senna endlich seinen ersten europäischen Titel im britischen Norfolk, als er sich gegen seinen Rivalten Enrique „Quique“ Mansilla (Nahuel Monasterio) durchsetzt. Schon erklimmt er die nächste Stufe auf der Rennklassen-Leiter und tritt in der Formel 3 gegen Martin Brundle (Charlie Hamblett), der dieser Tage als langjähriger Formel 1-Kommentator bekannt ist, im Jordan an. Seine Ehe mit Lilian de Vasconcelos Souza (Alice Wegmann) scheitert an Sennas ambitionierten Karriereplänen.
In der Formel 1 gibt Senna seinen Einstand bei dem Underdog-Team Toleman. Hier trägt er erstmals den Namen seiner Mutter Neyde Senna (Susana Ribeiro), zuvor ist er stets als da Silva bekannt gewesen. Obwohl er eigentlich eine Zusage von Lotus erhalten hatte, wird ihn das Team erst in der kommenden Saison verpflichten. Hier trifft er auf Laura Harrison (Kaya Scodelario), eine fiktive Reporterin, die Senna immer wieder mit den Schlagzeilen der jeweiligen Ära konfrontiert. Immer wieder werden ikonische Momente aus der Rennkarriere Sennas nachgestellt, etwa die Zielüberfahrt Sennas neben dem anhaltenden Alain Prost (Matt Mella) als der Große Preis von Monaco 1984 aufgrund der schwierigen Wetterverhältnisse abgebrochen wird und der schnelle Senna um einen weiteren Sieg gebracht wird. Die Rivalität zwischen Senna und Prost nimmt einen zentralen Teil der Serie ein. Nachdem Senna seinen ersten Weltmeistertitel im McLaren gewinnt entbrennt ein bitterer Kampf um die Vorherrschaft in der Formel 1, die in einem Crash der beiden Teamkollegen im Großen Preis von Japan 1989 und Sennas Disqualifikation, weil er die Auslaufzone in der Schikane nahm, kulminiert und Prost seinen dritten WM-Triumph beschert.
Während die geschichtsträchtige Fahrerbesprechung im Jahr darauf, die Senna frustriert verlässt, nahezu eins zu eins nachgestellt wird, bringt die Serie das berühmte Zitat des FIA-Präsidenten Jean-Marie Balestre (Arnaud Viard) im Briefing des Großen Preises von Deutschland 1991 „Die beste Entscheidung ist meine Entscheidung“ an anderer Stelle unter. Senna geht eine Beziehung mit der Sängerin und Moderatorin Maria „Xuxa“ da Graça Meneghel (Pâmela Tomé) ein und auch der markante Auftritt der beiden in einer Weihnachtsendung für Kinder wird authentisch nachgestellt. Unvergessen ist auch der Moment, als Senna 1991 erstmals sein Heimrennen in Interlagos gewinnt und aufgrund von Muskelkrämpfen zunächst aus seinem McLaren befreit und beim in die Höhe stemmen der Trophäe unterstützt werden muss.
In den Rennszenen macht sich bemerkbar, warum der Abspann die letzten zehn Minuten der sechs circa einstündigen Folgen einnimmt: CGI. Die größtenteils computergenerierten Szenen haben einen makellosen Look und könnten so eins zu eins aus einem Videospiel stammen. Im Zusammenspiel mit den Nahaufnahmen der Schauspieler, realen Rennaufzeichnungen und dem exzellenten Schnitt funktionieren die meist recht kurz gehaltenen Rennszenen allerdings recht gut, allerdings sind sie nicht nur inhaltlich sondern auch visuell eine Zitterpartie, da die neuen Aufnahmen der Serie oft sehr verwackelt sind. Ab und an wird man allerdings daran erinnert, dass man eine fiktionale Geschichte erlebt, etwa wenn McLaren-Teamboss Ron Dennis (Patrick Kennedy) selbst Hand beim Boxenstopp anlegt. Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda (Johannes Heinrichs) und F1-Chefarzt Sid Watkins (Tom Mannion) sind immer wieder zu sehen und ihre Darstellung ist den realen Vorbildern sehr nahe. Wir verbringen viel Zeit mit Senna bei McLaren, von seinen zwei wegen Änderungen im Reglement beschwerlichen Saisons bei Williams sehen wir hingegen wenig.
Während die Serie in den ersten fünf Episoden größere Zeitsprünge nimmt, dreht sich in der letzten Folge alles um das Rennwochenende in Imola 1994, an dem es schon im Freien Training zu einem schweren Unfall von Rubens Barrichello (João Maestri) kommt und im Qualifying verunglückt Roland Ratzenberger (Lucca Messer) tödlich. Es bleibt bis heute nicht nachvollziehbar, warum der Große Preis von San Marino nicht spätestens dann abgebrochen wurde, auch tragischerweise nicht auf Sennas direkte Forderung an FIA-Präsident Max Mosley hin. Die Serie nimmt ein würdiges Ende und am Ende kommt der echte Ayrton Senna dann noch einmal mit einem eindringlichen Appell zu Wort, seinen Träumen mit Hingabe und Beharrlichkeit zu folgen, egal aus welchen Verhältnissen man kommt, während passenderweise Tina Turners The Best gespielt wird. Daneben lauschen wir im Laufe der Serie dem Besten der 70er und 80er von Depeche Mode, David Bowie, Blondie, Snap!, Motörhead, Tears for Fears und Ram Jam. Die deutsche Synchronisation ist insgesamt gelungen, für die bestmögliche Erfahrung würden wir euch allerdings empfehlen die Serie im Original (portugiesisch und englisch) anzusehen, gerade um den enthusiastischen Kommentar von Galvão Bueno (Gabriel Louchard) zu hören während Sennas originalgetreue Siegeshymne abgespielt wird.
Fazit
Senna ist ein bildkräftiges Porträt des dreimaligen Formel 1-Weltmeisters, in dem alle wichtigen Karrierestationen authentisch abgebildet und seltene Einblicke in das Privatleben gegeben werden. Die Darstellung der legendären Rivalität zwischen Senna und Prost erinnert an den fantastischen Film Rush – Alles für den Sieg, in dem sich Hunt und Lauda duellieren. Beide sind auch in Senna vorhanden, neben einer Vielzahl von Motorsportgrößen, die fast durchgängig ihren realen Vorbildern wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Gabriel Leone sieht Senna zwar nur in wenigen Momenten wirklich ähnlich, seine schauspielerische Leistung kann allerdings nicht genug herausgestellt werden. Unterstützt wird er durch die authentische Ausstattung der Produktion, was F1-Autos, Kleidung, Schauplätze und Originalaufnahmen betrifft. Der Schnitt tut das seinige dazu, sodass die Serie die volle Palette an Emotionen abrufen kann. F1-Fans können wir Senna bedenkenlos empfehlen, dem Drama sollten aber auch diejenigen, die dem Motorsport bislang fremd sind, einiges abgewinnen können.
Netflix hat uns die Serie und die Bilder zur Verfügung gestellt.