Tolle Grafik, taktische Kämpfe und der allseits bekannte Nanosuit, das macht ein gutes Crysis aus. Die zitternde Handbewegung, mit welcher die CD ins Laufwerk gelegt wird und die begleitende Angstvorstellung, dass der heimische PC in wenigen Minuten eh unter Hochlast zusammen klappt, ist wohl eine der bekanntesten Assoziationen mit dieser Franchise. Glücklicherweise gibt es den Grafikkracher seit seiner zweiten Auflage auch für heimische Konsolen, auch für die Nummer 3 trifft dies zu. Ob sich jedoch der dritte Aufguss lohnt oder nicht erfahrt ihr im Test.
Artikel-Autor: Merlin
Frosch im Mixer
Die Stärken aus beiden Crysis-Teilen wurden im dritten Aufleger wunderbar vermischt, was eine doch recht spezielle und durchaus interessante Spielwelt zur Folge hat. Dies bedeutet, dass die vertikale Ausrichtung aus dem zweiten Teil mit den weitläufigen Sandbox-Arealen aus dem Original kombiniert werden. Somit wird euch letztendlich die Wahl gelassen wie ihr eure Gegner ausschalten wollt. Diese Mischung aus den Stärken der Serie kann bis auf die ersten Missionen zu Beginn des Spiels durchaus überzeugen, allerdings trifft man erst viel zu spät auf die wirklich offenen Gebiete, gerade wenn es anfängt so richtig Spaß zu machen, ist das kurze Abenteuer auch schon vorbei.
Dazu jedoch später mehr. Bedauerlich ist nur, dass die Handlung nicht ansatzweise an die des zweiten Teil herankommt. Was ehrlich gesagt recht katastrophal ist, da auch eben jener Handlungsbogen nicht unbedingt zu den Glanzpunkten der Videospielgeschichte zählt. Ähnlich wie bei Crysis 2 wird man auch hier in eine Situation geworfen die nur beding zu der Handlung des Vorgängers passt. Nach der fast vollkommenen Vernichtung der Alien-Invasoren in New York übernahm die Söldnerorganisation Cell die Stadt und sorgte durch den Bau eines Bio-Doms welcher eben jene überdacht für einen sprichwörtlichen Großstadtdschungel.
Als Prophet besteht euer Ziel nun darin, die Energiequelle, welche Cell die Herrschaft über die Stadt beschert, zu vernichten. Allerdings wird euch schon zu Beginn des Spiels nahezu eingeprügelt, dass nicht die Söldnerorganisation das größte Problem ist. Eine weitaus mächtigere Bedrohung wird von Prophet von Anfang an angekündigt, wenn diese dann letztendlich nach der Hälfte des Spiels ihre Fratze zeigt, überrascht dies nicht wirklich. Vor allem im letzten Drittel werdet ihr mit jedem erdenklichen Science Fiction-Klischee beworfen, dies raubt der Handlung jegliche Form von Originalität und bleibt letztendlich nur als notwendiges Übel in Erinnerung.
Pathetisches Gesülze
Ähnlich wie bei Halo 4 wird auch hier der Konflikt Mensch oder Maschine behandelt, allerdings lange nicht so subtil und gelungen wie es bei Microsofts Exklusivtitel der Fall ist. Dies liegt vor allem daran dass Crytek nicht gerade bekannt für feine Charakterzeichnungen ist. Prophet bleibt bis zum Schluss ein distanzierter und ehrlich gesagt absolut langweiliger Protagonist. Auch der Rest des Ensembles ist entweder da um in einer theatralischen Szene zu krepieren oder um den recht belanglosen Plot voran zu treiben. Crysis 2 hing ich mehr an den Nebendarstellern. Selbst die Rückkehr des hartgesottenen und mittlerweile anzuglosen Psycho kann daran nichts ändern. Mehr als einige markige Sprüche sowie eine sehr oberflächlich inszenierte Liebesbeziehung zu einem der Nebenakteure kann auch er nicht bieten.
Dies ist besonders schade, da der Versuch sich mit einer komplexeren Story auseinander zu setzen, durchaus gegeben ist. Leider scheitert Crytek an diesem Unterfangen aufgrund des zu beherzten Greifens in die Klischeekiste letztendlich.
Hübsches Blendwerk
Wie bei Crysis üblich gilt dies jedoch nicht für die grafische Gestaltung. Crysis 3 sieht sowohl auf dem PC als auch Konsolen absolut klasse aus und übertrifft den ohnehin schon fantastischen Vorgänger. Dies ist vor allem dem recht interessanten Setting geschuldet, die überwucherte Stadt New York erinnert sehr an Enslaved: Oddysey to the West und kann durch eine bestechende Detailliebe überzeugen. Allerdings hat diese Grafikpracht auch ihren Preis: Die Framerate schwankt zumindest auf der Xbox enorm, wirklich unspielbare Segmente tauchen glücklicherweise nicht auf. Die Missionen am Tage baden die beeindruckende Umgebung geradezu im Licht, offene Münder sind also keine Seltenheit. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir allerdings die nächtlichen Aufträge welche durch atmosphärische Lichteffekte, einer tolle Mischung aus Sumpf und Urwald sowie den besten Frosch- Model überhaupt glänzen können.
Spielerisch hat sich nicht gerade viel getan. Upgrades für euren Nanosuit werden nun nicht mehr durch das Töten von Gegnern finanziert sondern mithilfe von Nanosuit Modulen. Diese befinden sich gut versteckt in den Leveln verteilt und erlauben euch den überlebenswichten Anzug nach eurem Gusto zu konfigurieren. Zur einfacheren Verwaltung können auch 3 Sets mit jeweils 3 Attributen gespeichert werden. So könntet ihr beispielsweise den Energieverbrauch eures Anzugs verändern oder auch länger unsichtbar bleiben. Die letztendliche Vielfalt kann überzeugen, zumal es übersichtlich designed wurde. Schade ist nur dass alle Stärken im Verlauf der recht kurzen Kampagne nur bedingt ausgereizt werden können. Auch hier fängt der Spaß an sobald die Kampagne schon fast wieder vorbei ist.
Auch neu: Haken. Ihr könnt in Crysis 3 allerlei Unfug mit technischen Geräten anstellen. Durch ein einfaches Minispiel könnt ihr so gegnerische Minen für euch gewinnen, automatische Geschütze umprogrammieren oder auch verschlossene Behältnisse öffnen. Dies verschafft euch weitere Optionen in Hinsicht auf euer Vorgehen. Allerdings werden dadurch auch die Feuergefechte weitaus leichter, was besonders aufgrund einer Waffe fatale Folgen hat.
Da muss wohl jemand etwas kompensieren
Da in letzter Zeit der Bogen scheinbar eine Renaissance in der Welt der Videospiele feiert, zieht natürlich auch Crytek nach. Allerdings wurden bei dieser Waffe einige Designfehler vollzogen. Mit dieser Allzweckwaffe können nicht nur normale Pfeile sondern auch Sprenggeschosse oder auch Elektroschockpfeile verschossen werden. Auch von der Präzision her übertrifft diese Waffe beinahe das Scharfschützengewehr und tötet die meisten Gegner mit einem Schuss. Zu allem Überfluss kann mit dieser Waffe auch im Tarnmodus geschossen werden, ohne dass dies eure Unsichtbarkeit aufhebt. Normale Pfeile können auch wieder aufgehoben werden, letztendlich dürftet ihr nie ohne genug Munition für diese Waffe unterwegs sein. Übrigens tötet der Bogen noch dazu verdammt leise, wenn ihr einen Gegner aus nächster Nähe erledigt bekommt dessen Kollege in 5 Metern Entfernung meistens nicht mit.
Es ist klar, dass Crytek mit dieser Waffe den Aspekt des Jagens betonen wollte, allerdings ist sie dafür amüsanterweise nicht geeignet. Es stellt sich schlichtweg nicht das Gefühl ein dass man durch Geschick und Können seine Gegner ausgeschaltet hat. Vielmehr sorgt der Bogen dafür dass der Großteil der Auseinandersetzungen viel zu schnell endet und sich schlicht und einfach nicht mehr die epische Stimmung des Vorgängers einstellen will.
Far Cry 3 (unser Test zum Insel-Shooter) hat dies durch die Implementierung eines enorm mächtigen aber schwer zu beherrschenden Bogen absolut richtig gemacht. In Crysis 3 stellt dieser jedoch leider die ultimative Allzweckwaffe dar. Auch Alienwaffen können übrigens verwendet werden, jedoch sind auch diese nicht wirklich nützlicher als das Jagdinstrument.
Dies ist besonders schade da gerade die Fähigkeit zu hacken für einige spannende und herausfordernde Kämpfe gesorgt hätte, letztendlich verspielt Crysis diese Chance allerdings durch einen Schuss ins eigene Knie. Selbst auf der schweren Schwierigkeitsstufe stellen die Feuergefechte nur selten eine Herausforderung dar, hier hatte Crysis 2 weitaus mehr zu bieten. Dies stellt auch letztendlich den größten Kritikpunkt dar. Wo man bei Crysis 1 und 2 sein Vorgehen planen musste und dieses vor allem auf die zur Verfügung stehenden Waffen abstimmte so ist dies beim dritten Ableger nicht mehr nötig. All die Spannung sowie die letztendliche Freude darüber eine knackige Stelle absolviert zu haben fehlt somit vollkommen, was die letztendliche Spielerfahrung massiv beeinträchtigt.
Lobenswert zu erwähnen ist die KI welche sich zwar immer noch ab und zu Aussetzer leistet, allerdings lange nicht so häufig wie man es bisher gewohnt war. Sich im Kreis drehende Soldaten werdet ihr also weitaus seltener zu Gesicht bekommen. Dennoch vollführen diese teilweise recht seltsame Aktionen und bleiben auch mal mitten in der Pampa stehen. Die neuen Alien- Pirscher drehen jedoch den Spieß um, hier seid ihr der Gejagte. Leider finden jedoch Gefechte gegen diese Einheit äußerst selten statt, was wirklich bedauerlich ist. Neben diesen nervigen Wuslern trefft ihr auch noch auf andere neue Alien- Streitkräfte, aber alles will man dann doch nicht verraten.
Noch dazu dauert euer Abenteuer nicht länger als 7 Stunden, mit knapp 10-12 Stunden war Crysis 2 bedeutend länger und konnte auch durch ein durchdachteres Leveldesign mehr überzeugen als dieser Nachfolger. Am schwersten wiegt jedoch ganz klar der verhunzte Bogen, der das Experimentieren mit anderweitigen Waffen quasi überflüssig macht.
Fazit: Crysis 3 ist ein typischer Fall von gut gemeint, fehlerhaft umgesetzt. Jegliche Form von Taktik, welche das Vorgehen in den beiden Vorgängern so spannend gemacht hat, weicht mit Crysis 3 einer vollkommen übermächtigen Waffe, welche eben jene Besonderheit vollkommen zunichte macht. Crysis 3 bleibt jedoch auch mit diesem enormen Manko ein ordentlicher Shooter, der jedoch dieses Mal fast nur durch seine Präsentation für offene Münder sorgt.
Epische Feuergefechte und schwere Schlüsselstellen sucht man vergeblich, selbst die eingestreuten Bosskämpfe verlaufen nach bekannten Schemata und dürften nur für einen müden Gähner sorgen. Wer sich die Vorgänger noch nicht zu Gemüte geführt hat und mit Crysis 3 einsteigen möchte sollte dies lieber lassen.
Der Erstling, welcher meiner Meinung nach immer noch der beste Titel dieser Serie ist, war weitaus überzeugender und wer auf eine Konsole beschränkt ist, der macht auch mit dem zweiten Teil nicht wirklich etwas falsch. Letztendlich ist der Funke nicht übergesprungen. Auch die absolut belanglose Handlung, welche eher an ein Add-on erinnert, dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben. Die Spielereien mit dem Nanosuit machen dennoch immer noch Spaß und sorgen zumindest für etwas Abwechslung im Gegensatz zu anderen Shootern.
Dieser Test behandelt nur die Singleplayer Kampagne. Ein Multiplayer Test folgt vielleicht noch.
Crysis 3
Genre: Ego Shooter
System: Xbox 360, PlayStation 3, PC
Getestete Version: Xbox 360
Preis: ca. 60 Euro
Entwickler: Crytek
Publisher: Electronic Arts