Die Rolle des Kleinganoven, der sich in einer frei erkundbaren Spielwelt in den Rängen der Unterwelt nach oben arbeitet, haben wir schon zur Genüge übernommen. Da kommt es gerade recht, dass zwischen den eher traditionell gehaltenen Open World-Games Sleeping Dogs (XTgamer-Test) und GTA V ein Spiel erscheint, das euch als waschechter Samurai in’s feudale Japan verschlägt.
Spielte der Vorgänger noch im fiktiven Gebiet Amana innerhalb der Sengoku-Ära (1450 bis 1600), setzen die Geschehnisse in Way of the Samurai 4 weit danach an. 1855 beschließt Japan, die Grenzen zum Westen zu öffnen und ausländische Botschafter in’s Land zu lassen. Als Ronin, also herrenloser Samurai, müsst ihr euch mit drei Parteien auseinandersetzen, die einander kaum ausstehen können. Es gibt zum einen die herrschende Macht, das Shōgunat bzw. das ihm unterstehende Magistrat. Diese leben nach einem strikten Kodex, müssen sich aber den Wünschen des Kaisers nach Offenheit gegenüber westlichen Mächten beugen. Die ausländischen Kräfte werden durch die zierliche britische Botschafterin symbolisiert, die zwar Gewalt ablehnt, aber einige raubeinige Untertanen hat, die euch euer Dasein ebenfalls nicht erleichtern. Zuguter Letzt gibt es noch sogenannte Patrioten, die jeglichen ausländischen Einfluss im Keim ersticken möchten.
Das Abenteuer beginnt
Zu Beginn erschafft ihr euch euren Charakter und könnt dabei auf ein paar wenige Optionen zurückgreifen, um den Körper des stummen Protagonisten zu formen. Daraufhin könnt ihr euch frei in Amihama bewegen und Missionen für die unterschiedlichen Kräfte absolvieren. Dabei müsst ihr euch wie eh und je schon recht schnell entscheiden, welche Seite ihr bevorzugt. Mit unserem Ching Gis-Khan entscheiden wir uns für die pazifistischste Lösung und greifen den Ausländern unter die Arme. Die Briten dürfen ein eigenes Viertel ihr Eigen nennen, in denen schon äußerst fortschrittlicher gebaut wird als in der Stadt oder am zentralen Marktplatz. Die weiteren Gebiete, die ihr erkunden könnt, sind ein Schrein, an dem die Rebellen ihr Lager aufgeschlagen haben, der große Hafen, ein Waldgebiet am Stadtrand und das Dunkle Schiff. Was sich hinter letzterem verbirgt, wissen wir selbst noch nicht. Die Gebiete sind allesamt (im Rahmen der schwachbrüstigen Engine) detailliert gestaltet und reich bevölkert.
Doch zurück zur Haupthandlung: Ihr holt euch eure Aufträge ab, werdet mit einer Zwischensequenz begrüßt und könnt dadrin desöfteren in Dialogschnipseln kleine Entscheidungen treffen. Je nachdem wie ihr euch artikuliert, ändert sich der Grundton der Konversation leicht. Richtig signifikant sind diese Dialogentscheidungen nicht, mit wenigen Ausnahmen, die eure Zugehörigkeit festlegen. Ebenfalls unschön: Die Mimik der Charaktere ist meist sehr puppenhaft und die Kameraeinstellungen wenig cineastisch. Außerdem reißen einen die Ladezeiten öfters aus der Story etwas heraus und schwächen rasante Missionen durch viele Gebietswechsel und dadurch entstehende Ladezeiten in ihrer Wirkung ab.
Die ersten Stunde von Way of the Samurai 4
Missionen & Kampfsystem
Apropos Missionsdesign: Für die Engländer beschützt ihr beispielsweise einen eintreffenden Lehrer, der den Japanern Englisch beibringen soll. Natürlich sind die Rebellen nicht weit und töten in unserem Fall sogar den Lehrer, weil die Wegfindung der Künstlichen Intelligenz öfters nicht funktioniert. Interessant: Die Mission ist trotzdem abgeschlossen, allerdings fällt die Belohnung wohl geringer aus, als wenn man den armen Mann rettet. So ersetzt man ihn von den Japanern eben mit einem Kollegen aus der Karibik. Ob dieser den Landgang übersteht, erfuhren wir bislang noch nicht.
Noch ein Beispiel von dieser Sorte: Damit uns ein Obdachloser unter seine Fittiche nimmt, müssen wir drei seiner Freunde mit Essen beliefern. Da der alte Mann uns nur eine Portion mitgibt, müssen wir entweder zwei hungern lassen, lassen alle drei sterben oder wir gehen kurz in die Stadt und kaufen ihnen noch zwei Gerichte. Entscheiden wir uns für die ultimative Heldentat, werden wir reichlich belohnt
An anderer Stelle wagen wir ein Experiment mit dem Telegraphen, einer neuen Erfindung, mit der man Textnachrichten über große Distanzen versenden kann. Als wir am anderen Ende der Stadt als Testnachricht einen Hilferuf erhalten, eilen wir zur Botschafterin, die von Aufständischen gefangen genommen wurde und so gibt es meist ein paar Zwischensequenzen und dann wird gekämpft. Das Kampfsystem erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit. Ihr könnt einen leichten und schweren Schlag, Sprung und Block vollführen, allerdings kommt es sehr auf das Timing und die jeweils auf den Gegner zugeschnittenen richtigen Attacken an. Habt ihr genug Adrenalin angesammelt, könnt ihr für kurze Zeit besonders starke Attacken auf den Gegner loslassen. Und an Angriffen hapert es in Way of the Samurai 4 ganz bestimmt nicht. Im Laufe des Spiels schaltet ihr allerhand Angriffskombinationen frei, die euch das Leben erleichtern. Außerdem findet ihr stets neue Waffen (vornehmlich Schwerter und Speere), die ihr beim Schmied in ihrer Stärke auch verbessern könnt. Es gibt aber auch Abnutzungserscheinungen, die beim Verbessern zunehmen.
Japan macht die Kehrtwende
Ihr könnt zwar allerlei Objekte bei unterschiedlichen Händlern kaufen (von Essen über die neuesten Kimonos bis zu Medikamenten), gute Waffen erschafft ihr entweder komplett selbst oder verbessert gefundenes Kriegsgerät. Apropos Kriegsgerät: Das Ende des japanischen Isolationismus wird neuerdings auch in Spielen (siehe Hakouki und Shogun 2: Fall of the Samurai) gerne dazu hergehalten, den großen Kontrast zwischen den beiden Welten zu dieser Zeit darzustellen und den Konflikt zu offenbaren, in jenem Japan sich im Inneren befindet. Das wird in Way of the Samurai 4 gut vermittelt. In der lebendigen Stadt streifen gleichermaßen traditionelle Japaner als auch Ausländer umher, die sich gegenseitig nicht verständigen können. Neue Bauten wie ein modernes Krankenhaus wird zuerst als Teufelswerk verflucht, dann aber doch dankend angenommen. Ihr könnt mit jeder Figur auf den Straßen Amihamas interagieren und solltet das auch, falls ihr einige der zahlreichen Nebenmissionen absolvieren wollt. Diese wechseln sich zwischen Kurier- und Zerstörungsmissionen ab – zwar nicht sehr einfallsreich, aber kurzweilig.
Damenwahl & Atmosphäre
Außerdem könnt ihr nahezu jede Dame auf der Straße dazu verführen, eine Nacht mit euch zu verbringen. Das Night Crawling ist eines der typisch japanischen verrückten Elemente im Spiel: Habt ihr eure Angebetete mit ein paar geschickten (zu 90 Prozent stets gleichen) Sprüchen für euch gewonnen, müsst ihr in der kommenden Nacht in ihr Haus einbrechen und lautlos ihr die Bettdecke vom Leib reißen, um anschließend nach einem kurzen Fangspiel am Ziel angelangt zu sein. Doch bevor ihr ihren Schlafplatz erst einmal erreicht, müsst ihr deren Familienmitglieder der Reihe nach lautlos hinterrücks ausschalten. Werdet ihr ertappt, kommt die speziell für diese Vorfälle trainierte Polizeieinheit auf euch angesetzt und ihr müsst von vorn beginnen. Dieses Minispiel ist eine nette Abwechslung, steuert sich aber etwas hakelig. Die Hostess-Minispielchen aus Yakuza sind da deutlich intuitiver und abwechslungsreicher.
Die Atmosphäre ist in Way of the Samurai 4 wie im Vorgänger hervorragend gelungen. Mit Lichtstimmung, harmonischen Akustik-Musikstücken und Architektur erschafft Acquire einmal mehr ein sehr stimmungsvolles Erlebnis, das mit sehr guten japanischen Sprechern (mit englischen Untertiteln) garniert wird. Ein Wehmutstropfen ist neben den verhältnismäßig langen Ladezeiten und der angestaubten Optik die Kamera. Im Eifer des Gefechts passiert es schnell, dass die Kamera hinter einem Landschaftsobjekt verhakt und nicht das Geschehen zeigt.
Fans der Serie können bei Way of the Samurai 4 blind zugreifen. In den knapp vier Stunden haben wir ein an das neue Setting angepasste und sinnvoll verbesserte (es gibt nun fair verteilte Checkpoints, die ein Ableben gleichbedeutend mit dem endgültigen Game Over macht, Schwierigkeitsgrad immer noch sehr fordernd, aber nicht mehr unfair) Episode der bewährten Action-Adventure-Serie für die PlayStation 3 erlebt. Wer sich für das Setting der Wende Japans interessiert und gern motivierende Kämpfe und etwas Entscheidungsfreiheit auf seinem Wunschzettel hat, der sollte sich das Spiel einmal zu Gemüte führen. Way of the Samurai 4 ist ab sofort im US-PlayStation Network für 39,99 US-Dollar und ab 5. Oktober auch in Deutschland als Blu-ray-Version und im PlayStation Network erhältlich.
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