Heaven’s Vault ist das vierte Adventure von den in Cambridge ansäßigen Inkle Studios. Wir konnten das neue Spiel bereits anspielen und wagen einen Ausblick, ob sich das Eintauchen in den intergalaktischen Nebel lohnt.
Bevor wir auf das eigentliche Spiel eingehen möchten wir festhalten, dass wir am PC eine Vorabversion anspielen konnten, die nicht alle Schauplätze enthielt und die auf 90 Minuten Spielzeit begrenzt war. Die in dieser Version auftretenden Fehler können bis zur Veröffentlichung im Frühjahr für PC, Mac und PlayStation 4 theoretisch noch entfernt werden.
In Heaven’s Vault übernehmt ihr die Rolle von Aliya Elasra. Die Archäologin wird in der Stadt Iox in das Büro der renommierten Professorin Myari bestellt. Zuvor können wir uns kurz umsehen. Iox ist eine geschäftige Stadt. Im Stadtkern ist eine imposante Statue angebracht. Dort treffen wir auf den Roboter, den wir später wie vom Spiel vorgegeben Six nennen werden. In Iox leben Menschen mit Robotern friedlich zusammen. Das ist nicht in allen Teilen von Heaven’s Vault der Fall, wie sich schnell herausstellen wird. Professorin Myari beauftragt uns nach ihrem vermissten Freund Janniqi Renba zu suchen. Danach werden wir postwendend hochkant aus ihrem Reich geworfen. Warum verstehen wir nicht, schließlich haben wir ohne große Rückfragen den Auftrag angenommen.
Im Laufe der Vorabversion erkunden wir noch weitere Schauplätze, darunter das Reisanbaugebiet Maersi, welches uns sehr an Shamazaar aus Outcast erinnert, und den inmitten eines Zyklons befindlichen Kristallmond. Auf Maersi sind wir nicht willkommen. Die von der Außenwelt abgeschotteten und Robotern abgeneigten Dorfbewohner flüchten vor uns und wiegeln uns bei jeglichem Kontaktversuch ab. Lediglich zwei der Dörfler stellen sich als etwas redseliger heraus und eine davon ist auf wundersame Weise mit dem verschwundenen Renba verbunden. Auf dem Kristallmond finden wir lediglich Ruinen wieder, die von makaberen Machenschaften und tragischen Einzelschicksalen erzählen. Das Setting, das sich mit religiösen Kulten und dem Zusammenleben mit Maschinen beschäftigt, ist nicht gerade innovativ, wurde allerdings glaubhaft umgesetzt. Die Hauptgeschichte ist spannend und wird durch die reichhaltige Mythologie angereichert. Erkundet man die Spielwelt mit offenen Augen und nutzt ständig Dialogoptionen, so erfährt man viele Einzelheiten über das längst vergangene Imperium.
Mit ihrem Smash-Hit 80 Days, der Versoftung des Klassikers In 80 Tagen um die Welt von Jules Verne, bewiesen die Inkle Studios bereits 2014 ihr Talent in der Schaffung einer glaubhaften Spielwelt, dem Schreiben von charmanten Dialogen und die Möglichkeit selbstständig Routen festzulegen, um das Erlebte zur hoch persönlichen Abenteuergeschichte werden zu lassen. Heaven’s Vault schließt hieran an. Im Unterschied zu dem genannten Spiel kann man in Heaven’s Vault die Schauplätze in 3D erkunden und dabei jederzeit Dialoge mit Einwohnern oder dem treuen Roboterbegleiter Six führen. Letzterer erinnert uns spätestens wegen seinem Plappermaul an ION aus Phoning Home.
Die Entscheidungsfreiheit, das Art-Design, die Qualität der Dialoge und die Bewegungsfreiheit auf der Karte erinnern an 80 Days, wurden allerdings sinnvoll erweitert. Durch den kosmischen Nebel bewegt man sich mit dem interessant gestalteten Weltraumsegelschiff Nightingale (Nachtigall) umher. Anders als im eben genannten Spiel steuern wir die Nightingale auf dem wirren Netz aus Flüssen bestehend aus Eis, Sauer- und Wasserstoff direkt, dürfen den Nebel frei erkunden und Schauplätze in beliebiger Reihenfolge anfliegen. Hierbei fühlen wir uns bei der Entdeckung von Artefakten in dieser Spielmechanik mächtig an das Ewigkeitswerk Kentucky Route Zero erinnert.
Spielerisch hegen wir Heaven’s Vault gemischte Gefühle gegenüber. Es ist echt schön, dass die Inkle Studios die bewährte segmentierte Erzählform im Adventuregenre zwischen Zwischensequenzen und Spielszenen aufbricht. Wir können nahezu jederzeit mit Six reden und ihm dabei Fragen stellen oder auf seine Reaktionen auf Spielwelt oder Story-Ereignisse reagieren. Großartig ist dabei, dass sich die Dialoge in unserer Sitzung nicht wiederholt haben. Das funktioniert dynamisch über zwei vorgegebene Tasten auf der Tastatur und lockert die zugegebenermaßen recht drögen Planetenerkundungen gelungen auf. Ab und an stellt uns das Spiel in den Gesprächen auch vor Entscheidungen. Inwieweit sich diese auf den weiteren Spielverlauf auswirken, wird sich in der finalen Version zeigen.
Der wohl interessanteste Aspekt an der Mythologie, die die Inkle Studios für Heaven’s Vault angelegt haben, ist die eigens dafür geschaffene Sprache. Jawohl, man hat ein Alphabet und umfangreiches Wörterbuch nur für dieses Spiel erstellt. Unser Aufgabe ist es dabei diverse Inschriften, die in der gesamten Spielwelt verteilt wurden, in der Rolle von Archäologin Aliya zu finden und zu entschlüsseln. Dabei greifen wir stets automatisch auf ein sich ständig erweiterndes Wörterbuch zurück. Anhand der Schriftzeichen lassen sich oftmals ähnliche Wörter ableiten. Praktischerweise werden uns diese kontextsensitiv eingeblendet und verschiedene Antwortmöglichkeiten gegeben. Finden wir eine Silbe andernorts wieder, platzieren wir sie per Drag-and-Drop an der richtigen Stelle und das Spiel bestätigt entweder die Sinnhaftigkeit unserer ursprünglichen Wahl oder lässt uns noch einmal ran, um die korrekte Übersetzung zu finden. Diese Mechanik wurde homogen ohne lange Ladezeiten ins Spiel integriert und gefällt uns richtig gut.
Gefundene und entschlüsselte Inschriften und aufgestöberte Artefakte schalten neue Einträge in der aufwendig gestalteten Zeitlinie frei. So können wir einzelne Objekte datieren und später jederzeit nachlesen, wann was passiert ist.
Die Dialoge wurden bislang nicht allesamt synchronisiert. Stattdessen gab es einige ausgewählte Textzeilen in synchronisierter Form in englischer Sprache zu hören. Auch die Texte waren in unserer Version auf Englisch. Wir hoffen, dass noch weitere Teile der Dialoge synchronisiert werden, da die Sprachausgabe wirklich gelungen ist und weiter zur Atmosphäre beitragen könnte, zusätzlich zur stimmungsvollen dezent eingesetzten Musik, die auf dem kargen Kristallmond zuweilen eine merkwürdige Atmosphäre wie im LucasArts-Klassiker The Dig aufkommen lässt. Zur Grafik müssen wir ebenfalls ein paar Worte verlieren: Die handgezeichneten 2D-Grafiken fügen sich hervorragend in die farbenfrohen 3D-Umgebungen ein. Mimik und Gestik hauchen den Charakteren Leben ein. Einige Clipping-Fehler sorgten beim Spielen für den ein oder anderen Abzug bei der Immersion.
Vorabfazit
Heaven’s Vault ist ein Spiel, das Adventure-Fans auf dem Radar haben sollten. Der Gameplay-Mix aus klassischen Poin’n’Click, Dialogführung, Entschlüsselung von Inschriften und freier Erkundung des Nebels geht in der Vorabversion auf, auch wenn wir nur wenige Planeten erkunden kunden und sich das teils recht dröge gestaltet hat. Wir sind gespant, wo uns Aliyas Abenteuer im Frühjahr dieses Jahres hinführen wird.
Wir haben alle Screenshots in diesem Artikel mit der uns vorliegenden Vorabversion des Spiels auf dem PC aufgenommen.