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Zelluloitis - Filmecke

Zelluloitis: The Name of the Game

Dokumentationen über die Entstehung von Videospielen sind wahrlich nichts neues. In The Name of the Game erlebt man zur Abwechslung, dass auch renommierte Studios bei der Games-Entwicklung nicht vor diversen Widerständen gefeit sind.

Der am 19.07.1995 im finnischen Helsinki gegründete Videospielentwickler Housemarque ist für kompromisslose Shoot’em-Ups wie Stardust, Dead Nation und Resogun bekannt. Mit Project Jarvis wollte man Neuland betreten und nicht nur einen Klassiker wiederaufleben lassen, sondern ihn auch in einem Arcade-Automaten zu verewigen. Im Zeitalter von Unmengen wöchentlich erscheinender Videospielen ist es kein leichtes, aus der Masse herauszustechen und so haben die Finnen auf eine Enthüllung ihres neuen Babys auf einem großen Event gesetzt und sich für die Umsetzung des Arcade-Automaten Eugene Jarvis, Vater von Spielhallen-Meilensteinen wie Defender und Robotron: 2084 und nicht zu verwechseln mit dem Jorbus, ins Boot geholt.

Die beiden Regisseure der Doku Paul J. Vogel und Jarno Elonen zeigen die Entwicklung von der ersten Idee im Winter 2013 von Project Jarvis bis hin zur Veröffentlichung des Spiels als Nex Machina im 20. Juni 2017 auf und konzentrieren sich dabei neben Jarvis auf vier weitere Akteure: Mikael Haveri (Head of Publishing), Harry Krueger (Game Director), Tommaso De Benetti (Communications Manager) und Ilari Kuittinen (CEO und Mitgründer von Housemarque). In The Name of the Game erleben wir viele Meetings dieser Gruppe, in denen stets stark diskutiert wird, aber immer eine gewisse Gelassenheit im Raum zu stehen scheint, selbst wenn die Existenz der traditionsreichen Firma in Gefahr ist. Auffällig ist der für einen Mitteleuropäer hoch erscheinende Alkoholkonsum in den Treffen in Konferenzräumen, in Jarvis Anwesen in Chicago oder Hotelsuiten. Ob das an regionalen Gepflogenheiten liegt, können wir nicht beurteilen, allerdings sei erwähnt, dass in Finland jegliche Form von Alkohol frühestens mit 18 Jahren gesetzeskonform erworben werden kann. Die Regelungen für das Mindestalter für den Alkoholkonsum sehen in den den Nachbarländern Schweden und Norwegen, geschweige denn in Deutschland, etwas anders aus aus, doch das soll nicht Gegenstand dieser Filmbesprechung sein.

Positiv sticht die Authentizität ins Auge. Ständig kommen die oben genannten Mitarbeiter Housemarques zu Wort, ob in gegenseitiger Diskussion oder in einer kurzen Stellungnahme für die Kamera, zum Feedback nach den ersten Playtests. Selbst ein Meeting mit Shahid Kamal Ahmad, dem besonders von unabhängigen Spieleschaffenden hochangesehenen ehemaligen Leiter von Sonys Abteilung für Strategische Inhalte in Großbritannien, dürfen wir mitverfolgen (und sind ganz schön verwundert, dass es dort viel Aufwand bedarf das erste Gameplay-Video von Nex Machina überhaupt abzuspielen). Auch die Veröffentlichung auf einer Verkaufsplattform wird gezeigt. So etwas mag Videospielenthusiasten vorher wie Magie vorgekommen sein, gleicht letztendlich auf desillusionierende Weise eher dem Einstellen eines Artikels auf einem virtuellen Marktplatz und sorgt damit für eine bessere Wahrnehmung beim Zuschauer. Dabei werden auch innerhalb des Teams Reviere abgesteckt und es wird klar, wer während der Entwicklung das Sagen hat und seine Stellung im Unternehmen deutlich macht. Manchen Personen wird also ein Profil zuteil, der Großteil bleibt allerdings recht farblos.

50 Mitarbeiter beschäftigte Housemarque im Februar 2014, im Dezember 2018 näherte man sich der 70er-Marke an. Mitten in der turbulenten Entwicklung des Spiels wird ein Teil der Belegschaft entlassen. Enttäuschend: Die Teile der Belegschaft, die keinen ranghohen posten im Unternehmen einnehmen, kommen nicht zu Wort. Tommaso De Benetti, der die Videospielpresse, Blogger, Fans und merkwürdige Identitäten wie uns über den Stand der Entwicklung informiert, ist einer von denen, die die Koffer packen müssen, aber das Schicksal der Ex-Kollegen weiter bis Nex Machina zum zweit bestbewerteten Twin-Stick-Shooter aller Zeiten (lt. Guinness World Records 2018) wurde und auf eine Rückkehr ins Team hofft, die bis heute nicht erfolgt ist. Frei von der Leber über seine Zeit bei Housemarque spricht er in der Doku nicht. Ob die Mitarbeiter so verständnisvoll darüber sind, dass die Chefetage sich in eine Hotelsuite einmietet und im feuchtfröhlichen Rausch von Genussmitteln Gedanken über den Spieltitel und Namen von Einheiten und Level macht, mag zweifelhaft sein. Zu den in der Games-Branchen üblichen Crunch-Zeiten, also massiven Überstunden vor wichtigen Fristterminen, wird nur am Rande Stellung genommen, etwa als Harry Krueger seine Rolle in der Führungsebene abgibt und sich auf die Entwicklung der Bosskämpfe und die Erziehung seines Kinds konzentriert. Das ist im Übrigen kein neues Phänomen: Auch Jarvis berichtet davon, dass er bei der Entwicklung seiner Spiele in den 80ern ständig ein Missverhältnis zwischen erhöhten Arbeitszeiten und geringer Fürsorge der eigenen Gesundheit feststellen musste und sich letztendlich für letzteres entschieden hat, was man auch als Empfehlung für andere Kreative sehen kann.

The Name of the Game bekommt einen guten Spannungsbogen hin. Gemeinsam mit Housemarque fiebert man immer wieder der großen Enthüllung des Spiels entgegen, auch wenn diese immer wieder aus vielerlei Gründen verschoben wird, von der Paris Games Week 2015 auf die E3 2016 bis hin zur PlayStation Experience 2016, wo der Startschuss mit einem aufwendig animierten und im Gegensatz zum ersten geplanten Teaser nicht bestehendes Urheberrecht verletzenden Trailer gelingt. Auch die Reaktionen von Kritikern und Publikum werden gegen Ende veranschaulicht. Zwischendrin fehlt, ohne dabei zu sehr ins Detail gehen zu müssen, allerdings ein Blick auf die eigentliche Videospielentwicklung. Es werden viele Gags gemacht, Meilensteine präsentiert und Arcade-Rekorde in Robotron: 2084 geschlagen, aber die eigentliche Programmierung, Erstellung von Leveln oder Recherchen zum Setting werden allerdings größtenteils außen vor gelassen. Dieser Teil ist einem laienhaften Publikum vergleichsweise schwieriger zu vermitteln als die Management-Seite abzubilden, hier hätten wir aber gerne mehr Einblick genommen. Ein Grund für das Fehlen solcher Szenen könnte natürlich auch sein, dass Housemarque sich nicht von der Konkurrenz in die Karten schauen lassen will und Teile der Technik für zukünftige Projekte wie Stormdivers verwenden will.

Wir wollen nicht unerwähnt lassen, dass die Kameraführung und die Verwendung von Musik äußerst gelungen ist. Egal ob im schicken modernen Glasbüro Housemarques oder in den Messehallen des Los Angeles Convention Centers, Jirka Silander, Jarno Elonen und Paul J. Vogel (die Regisseure höchstpersönlich) überzeugen mit ihrer Kameraarbeit. Die Musik von Heikki Kareranta findet spätestens in den in Spielgrafik gehaltenen Credits ihren Höhepunkt: Das humorvolle Gerappe des Head of Publishing wird mit coolen Beats versehen und hat plötzlich mehr oder weniger Hitpotential.

Fazit

Der 1 Stunde und 37 Minuten lange Film The Name of the Game wird seinem Namen gerecht, schließlich dauert es darin geschlagene 40 Minuten bis das Spiel auf seinen finalen Namen Nex Machina hört. Die Dokumentation verfolgt hautnah den Entscheidungsprozess innerhalb eines kleineren Studios auf Chefebene in der Videospielentwicklung, besonders in den Punkten Finanzierung und Ausrichtung des Spiels. Allerdings hätte man noch tiefer ins Haifischbecken schwimmen, dabei die zahlreichen Arbeiterbienen unterhalb der Chefetage zu Wort kommen und ihnen über die Schulter schauen lassen können, um so einerseits mehr über die eigentliche Entwicklung des Spiels und andererseits mehr über die Menschen dahinter zu erfahren. Das kommt in den zahlreichen von Gags gefüllten Meetings nämlich zu kurz. Die Dokumentation erlaubt nie zuvor gesehene Einblicke in die beschwerliche Entwicklungsgeschichte von Nex Machina, von der eingestellten Kickstarter-Kampagne über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Sony nach dem Ausscheiden von Shahid Kamal Ahmad bis hin zur Herausforderung, die Lichter in den verglasten Büros angeschaltet zu lassen. Wer sich für die Entstehung von Videospielen und im Speziellen des Twin-Stick-Shooters Nex Machina interessiert, wird mit The Name of the Game gut unterhalten, auch wenn der Film manche Themen zu oberflächlich behandelt. Wir sind gespannt, wie die Zukunft von Housemarque aussehen wird und ob das Arcade-Cabinet von Nex Machina jemals das Licht der Welt erblicken wird.

The Name of the Game ist seit dem 30.11.2018 auf Plattformen wie Amazon Video, iTunes, Microsoft Video, Steam und VUDU als Stream erhältlich. Auf Steam ist seit dem 18.3.2019 ein Bundle bestehend aus Spiel und Film erhältlich. Der Film kann bis 1.4.2019 mit 80%-Rabatt für 48 Stunden innerhalb von 30 Tagen auf Steam geliehen werden. Die Steam-Version des Films (1080p, englische Sprache, keine Untertitel) wurde uns zu Rezensionszwecken vom Verleih zur Verfügung gestellt.