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Test

Im Test: The Walking Dead – The Final Season

Erfahrt in unserem Test der Final Season, ob Telltales The Walking Dead trotz der beschwerlichen Entwicklung zu einem würdevollen Abschluss gebracht wurde.

Geschichtsstunde

Heute vor genau sieben Jahren veröffentlichte ein bis dato hauptsächlich in Adventure-Fankreisen bekanntes Studio, das im kalifornischen San Rafael nördlich von San Francisco beheimatet war, die erste Episodes einer Serie, die die Videospielwelt nachhaltig verändern würde. Die erste Staffel von Telltale Games’ The Walking Dead brachte selbst den stoischsten Hardcore-Gamer den Tränen nahe. Sie erzählte größtenteils abgekoppelt von der Comic-Vorlage und der äußerst erfolgreichen TV-Serie die Geschichte des ehemaligen Geschichtslehrers Lee Everett und des damals 8-jährigen Mädchens Clementine (Clem). Die beiden lernen sich inmitten einer ausbrechenden Zombie-Apokalypse kennen und sind fortan bis zum tragischen Ende unzertrennlich.

Infolge der enormen Popularität des Spiels veröffentlichte Telltale Games nach anderthalb Jahren Season Two, in der Clem erstmals die Hauptrolle spielte. Drei Jahre später folgte eine Miniserie mit der in der TV-Serie beliebten Michonne als Protagonistin und die dritte Staffel mit dem Titel A New Frontier und einem lateinamerikanischen Cast. Beide Staffeln wurden von den Fans mit gemischten Gefühlen aufgenommen und die Abverkäufe gingen rapide in den Keller. Zusätzlich brachte sich Telltale Games durch den Einkauf von namhaften weiteren Lizenzen wie Game of Thrones, Batman, Guardians of the Galaxy, Borderlands und Minecraft in finanzielle Schwierigkeiten.

Telltale entschied sich Clems Geschichte mit The Final Season nach 23 Episoden abzuschließen und ging während der Entwicklung zu Grunde. Die Fertigstellung und Veröffentlichung der letzten beiden Episoden standen unter einem schlechten Stern, da Telltale Games aufgelöst wurde. Lizenzgeber Skybound Entertainment hatte zwischenzeitlich eine Videospielabteilung namens Skybound Games aufgebaut. Kurzerhand verpflichtete man die ehemaligen Entwickler und stellte das Spiel zu Ende. Kurios: Veröffentlichte Telltale The Walking Dead: The Final Season noch auf Steam, so entschied sich Skybound Games wohl aus finanziellen Gründen das Spiel dort aus dem Verkauf zu nehmen und vorerst exklusiv im Epic Games Store anzubieten. Auf die Übernahme der Speicherstände aus vorhergehenden Staffeln hatte dies glücklicherweise keinen Einfluss.

Story

Umfassten die ersten drei Staffeln noch jeweils fünf Folgen, wurde The Final Season mit vier Folgen – Done Running, Suffer The Children, Broken Toys und Take Us Back – bedacht. Es sind drei Jahre seit A New Frontier vergangen und Clem kämpft gemeinsam mit dem 5-jährigen Jungen Alvin Jr. (AJ) ums Überleben. In Season Two haben wir die Geburt des Kindes von Rebecca und Alvin erlebt und seither kümmert sich Clem um AJ. Die beiden treffen auf Schüler einer Schule für schwer erziehbare Kinder namens Ericson, erarbeiten sich deren Vertrauen und unterstützen sie in ihrem Konflikt einer Gruppe Erwachsener. In jeder Staffel schließen sich Clem und AJ einer neuen Gruppe Überlebender an. Diesmal hat man eine ausgewogene Mischung aus Charakteren integriert.

Anführer von Ericson sind der grobe Marlon und die zurückhaltende Violet. Mit dabei sind zudem der sympathische Querulant Louis, der junge gutherzige Tennesse (Tenn) und die temperamentvolle Südstaatlerin Ruby. Uns in einer Gruppe von Teenagern zu platzieren erlaubte den Autoren sichtlich mehr Freiheit, die Story in neue Bahnen zu lenken. Einige Nebencharaktere verfügen über Tiefe, manche werden aber zu schnell abgefrühstückt. Clem entwickelt sogar eine kleine Romanze. Im Laufe der finalen Staffel gibt es nicht nur zahlreiche Rückblicke und Anspielungen an vergangene Tage, Clem trifft auch auf altbekannte Charaktere.

 

Die Entwickler konzentrieren sich in dieser Staffel auf die Beziehung zwischen Clem und AJ. Die Chemie zwischen den beiden überträgt sich auf den Spieler. Wir erklären ihm Gut von Böse, zeigen ihm Grenzen auf, müssen ihm aber auch in manchen Situationen vertrauen und bringen ihm das Jagen bei. Es kracht auch häufig zwischen den beiden, was dem Plot gut tut. Emotionale Momente, die wie in Staffel 1 an die Substanz gehen, sind wieder mit dabei. Ab und an gibt es Dissonanzen zwischen Situation und Reaktion der Charaktere. Feiert die Gruppe lautstark, wird plötzlich außer Acht gelassen, dass zahlreiche Walker in Hörweite sind. Es passiert allerdings nichts.

Clems Geschichte wird mit einem aufwühlenden langen Ende abgeschlossen und langjährige Fans der Serie zufriedengestellt.

Gameplay

Das Verhältnis zwischen Exposition und reiner Spielzeit gleicht den vorigen Staffeln. Lauschen wir gerade nicht den interessanten Dialogen, müssen wir unter Zeitdruck Entscheidungen über Leben und Tod treffen, Erkunden kleine Gebiete und Suchen nach optionalen Sammelobjekten, die wir in unserem Zimmer an der Ericson-Schule als Trophäen platzieren können. Diese Gegenstände sind mit der Story verwoben. Der Disco Brocoli etwa stammt aus Clems Vergangenheit und so erzählt sie AJ einen Schwank aus ihrer Kindheit, sobald wir das Plüschtier in seinem Bett untergebracht haben. Im physischen Collector’s Pack der The Telltale Definitive Series-Sammlung ist übrigens eine Replika davon enthalten.

Das Kampfsystem aus A New Frontier wurde verfeinert und funktioniert gut. Diesmal dürfen wir an vorgegebenen Stellen Walker in die Knie schlagen, um sie für kurze Zeit bewegungsunfähig zu machen, damit wir uns direkt um den nächsten kümmern können. Darüber hinaus setzen wir auch die zahlreichen Baumfallen ein, die die Schüler rund um ihre neue Heimat platziert haben. Dabei fühlt man sich etwas an Star Wars: Episode VI erinnert, Ewoks kommen allerdings nicht im Spiel vor. Manches Mal nimmt einem das Spiel das genaue Zielen ab. Die Gründe dafür sind nicht ersichtlich, daher schwankt der Schwierigkeitsgrad etwas.

Entscheidungen haben Auswirkungen auf euren ständigen kleinen Begleiter AJ. Eure Taten beeinflussen maßgeblich, was aus ihm wird. Das macht sich nicht nur in einer Texttafel im Abspann , sondern auch in spielentscheidenden Momenten bemerkbar. Auch Entscheidungen aus vorangegangenen Episoden, insbesondere aus der ersten Staffel, werden sinnvoll eingebunden. Habt ihr die vorherigen Staffeln nicht gespielt, könnt ihr die wichtigsten Entscheidungen in einem kurzen Motion Comic treffen.

Technik

Technisch ist The Walking Dead: The Final Season sehr sauber. Die Ladezeiten sind kurz, Ruckler halten sich in der von uns getesteten PC-Version in Grenzen. Vorbei die Zeiten, in denen wir minutenlang einen schwarzen Bildschirm anstarren und wichtige Szenen in unansehnlichem Geruckel untergehen. Die Grafik wurde im Vergleich zu A New Frontier aufpoliert. Gesichtsanimationen sind detaillierter und lippensynchron, das Schulwesen strotzt vor storyrelevanten Details und Rauch- sowie Partikeleffekte sind hübscher. Die Kehrseite der Medaille sind die häufig aufploppenden Objekte in den Waldgebieten und viele Clippingfehler. So wird man ab und an etwas aus der dichten Stimmung herausgerissen.

Die englische Synchronisation ist ein weiteres Mal fantastisch geworden und das über alle Charaktere hinweg. Auch die zurückkehrenden Figuren wurden von den ursprünglichen Synchronsprechern eingesprochen. Die musikalische Untermalung von Serienkomponist Jared Emerson-Johnson ist ein weiteres Mal großartig geworden. Der gefühlvolle Score unterstützt die Atmosphäre ungemein. Auch bei der Auswahl lizenzierter Musik hat man mit Liedern von u. a. Hannah Jern-Miller, Alela Diane und The Be Good Tanya ein gutes Händchen bewiesen und spielt auch hier an vorhergehende Staffeln an.

Übrigens werden im Rahmen der Veröffentlichung von The Telltale Definitive Series im September die vorhergehenden Staffeln mit der Engine von The Final Season mit verbesserter Grafik neu aufgelegt werden.

Fazit

Mit The Walking Dead: The Final Season schließen Telltale Games und Skybound Games Clementines Geschichte würdevoll ab und bieten Fans und Neueinsteiger ein unterhaltsames Endzeit-Drama mit verbesserter Gameplay-Formel und aufpolierter Technik. Entscheidungen sind in Telltale-Spielen oftmals nur Makulatur und auch The Final Season ist eben nur ein Spiel mit vorgegebenem Ende. Unsere Taten aus vorhergehenden Staffeln werden allerdings auf sinnvolle und auch teils überraschende Weise aufgegriffen und das sorgt für Kontinuität. Wir sind uns sicher, dass man erneut in das Universum eintauchen können wird, dann hoffentlich mit einer besseren Umgebung für die talentierten Entwickler, neuen interessanten Charakteren und frischem Spieldesign.

Video-Playlist: Alle Folgen von Telltale Games’ The Walking Dead